ASCO, San Francisco, 12. - 15.5.2001

Praxis-Depesche 15/2001

Molekulare Zukunft der Krebstherapie

Die Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) zeigte, dass in der Krebstherapie eine neue Ära beginnt: die der "zielgerichteten" molekularen Therapien.

"Die Versprechungen der neuen Behandlungsansätze werden langsam Realität", so ASCO-Präsident Lawrence H. Einhorn in seiner Eröffnungsrede. Zahlreiche der neuen Optionen greifen auf der Ebene proliferationsfördernder Rezeptoren oder Enzyme an. Ein solches Ziel ist der Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR), der für Krebsentwicklung und -progression, Metastasenbildung sowie Apoptosehemmung wichtige Signalkaskaden auslöst. Derzeit sind bereits mehrere EGFR-Inhibitoren in unterschiedlichen Stadien der klinischen Entwicklung, so beispielsweise der gegen den EGFR gerichtete monoklonale Antikörper Cetuximab (IMC-C225). Laut Leonard Saltz, Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, ist Cetuximab in Kombination mit dem Topoisomerase-Inhibitor Irinotecan selbst bei Irinotecan-refraktärem kolorektalem Karzinom aktiv. 22,5% von 120 Patienten mit EGFR-positiven Tumoren sprachen auf die Kombination an; bei weiteren 7% wurde eine Tumorstabilisierung über mindestens zwölf Wochen erreicht. Hinweise, dass der Antikörper die durch Irinotecan bedingte Toxizität steigert, ergaben sich nicht. Die hauptsächliche Nebenwirkung von Cetuximab ist ein akneartiger Hautausschlag, der generell unter EGFR-Hemmstoffen vorkommt. Bei Patienten, die diesen Ausschlag entwickeln, ist eine Response auf die Therapie wahrscheinlicher. Diese Nebenwirkung könnte daher laut Saltz zukünftig zur Identifizierung von Respondern herangezogen werden. Eine alternative Möglichkeit der EGFR-Blockade ist die Inhibition der EGFR-Tyrosinkinase (TK), eines wichtigen Enzyms in der Signalvermittlung via EGFR. Der oral bioverfügbare selektive EGFR-TK-Inhibitor ZD1839 (Iressa) ist bei einer Vielzahl solider Tumoren wirksam. In vitro hat sich ZD1839 außerdem als Radiosensitizer erwiesen: Die Substanz steigert die Zytotoxizität einer Bestrahlung in verschiedenen Tumorzelllinien. Neuen Experimenten zufolge könnte zukünftig die Kombinationstherapie mit ZD1839 und dem bereits zugelassenen monoklonalen Antikörper Trastuzumab (Herceptin), der den zur EGFR-Familie gehörenden Rezeptor HER2/neu blockiert, interessant werden. In HER2-überexprimierenden humanen Mammakarzinom-Zelllinien führte die Kombination beider Substanzen zu einer Induktion der Apoptose und zu einer ausgeprägten Wachstumshemmung. Ein weiterer TK-Inhibitor ist OSI774, der in einer Phase-II-Studie bei 34 Patientinnen mit refraktärem Ovarialkarzinom eingesetzt wurde. Vier der 30 evaluierbaren Patientinnen (13%) sprachen partiell an; außerdem konnte bei 14 weiteren Frauen (46%) eine Tumorstabilisierung erreicht werden. Acht Teilnehmerinnen (33%) leben derzeit noch, 14 Patientinnen überlebten mehr als 300 Tage, berichtete Neil Finkler, Walt Disney Memorial Cancer Institute, Florida. Hautausschlag bei 82% der Patientinnen und Diarrhö waren die häufigsten Nebenwirkungen. Neben dem Eierstockkrebs hat sich OSI774 auch bei Kopf-Hals-Tumoren und beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom als aktiv erwiesen. Praktisch zeitgleich mit dem ASCO-Meeting wurde STI571 (als Glevec) von der amerikanischen Food and Drug Administration für die Therapie der chronisch myeloischen Leukämie (CML) in den USA zugelassen. STI571 ist ein potenter Inhibitor mehrerer Tyrosinkinasen, darunter der Abl-TK, berichtete B. J. Druker, Oregon Health Sciences, University Portland. Bislang ist noch unbekannt, wie lange die Remissionen bei CML-Patienten in der chronischen Phase anhalten, ob das Überleben tatsächlich verlängert werden kann und ob komplette zytogenetische Remissionen mit einem verbesserten Überleben korrelieren. Jetzt wird STI571 auch bei gastrointestinalen stromalen Tumoren (GIST) erprobt, bei denen in bis zu 80% aktivierende Mutationen der c-kit-TK nachweisbar sind. Positive Ergebnisse wurden u. a. in einer belgischen Studie an 36 GIST-Patienten beobachtet. Nur vier Teilnehmer kamen in den ersten acht Behandlungswochen in eine Progression.

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