Flatdarstellung des menschlichen Herz

ESC Kongress der European Society of Cardiology (ESC), August 2020

Praxis-Depesche 9/2020

Neue, alte Therapien und die Frage: RAS-Hemmer während COVID-19?

Schon vor Jahren erkannten Forscher: Entzündliche Prozesse begünstigen die Entstehung des chronischen Koronarsyndroms. Dennoch verlief die Suche nach einer antiinflammatorischen Therapie lange ergebnislos. Jetzt erwies sich ausgerechnet das seit Jahrhunderten bekannte Spindelgift Colchicin als wirksam. Außerdem auf dem diesjährigen Kongress der ESC: Die erste randomisierte Studie zu RAS-Inhibitoren bei COVID-19.
Colchicin bei KHK wirksam
Vergangenes Jahr hatte die Studie COLCOT gezeigt, dass niedrig dosiertes Colchicin das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nach einem Myokardinfarkt verringert. Ob sich diese Ergebnisse auch bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom reproduzieren lassen, testete daraufhin die randomisiert-kontrollierte Studie LoDoCo2. Die 5.522 eingeschlossenen Probanden, die seit mindestens sechs Monaten stabil waren, wurden auf zwei Gruppen randomisiert:
Die eine Hälfte erhielt 0,5 mg Colchicin täglich, die andere Hälfte ein Placebo. Die Auswertung nach einer Beobachtungszeit von 29 Monaten ergab ein um 31 % niedrigeres Risiko für kardiovaskulären Tod, nicht-interventionsbedingten Myokardinfarkt, Schlaganfall oder eine ischämiebedingte Revaskularisation in der Verumgruppe. Nebenwirkungen, insbesondere Infektionen, Pneumonien und gastrointestinale Beschwerden, traten in beiden Gruppen gleich häufig auf.
Damit bildet die antiinflammatorische Therapie mit Colchicin eine vielversprechende Option zur Sekundärprävention bei chronischem Koronarsyndrom der Patienten.
 
Erste spezifische Therapie der hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie
Mit der Substanz Mavacamten könnte bald die erste spezifische Medikation für Patienten mit hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie (HCM) zur Verfügung stehen. Das legt die Phase-III-Studie EXPLORER- HCM nahe, in der 251 betroffene Patienten (NYHA-Klasse II oder III) randomisiert entweder mit Mavacamten oder Placebo behandelt wurden. Nach der 30-wöchigen Therapie war die Verumgruppe der Kontrollgruppe hinsichtlich des primären Endpunktes – ein Anstieg der maximalen Sauerstoffaufnahme um mindestens 1,5 ml/kg/min – hochsignifikant überlegen. Ebenfalls deutlich verbessert wurden der linksventrikuläre Ausflusstraktgradient nach Belastung, sowie die NYHA-Klasse. Das Arzneimittel war gut verträglich und die Nebenwirkungen fielen mild aus.
Mavacamten ist der erste Vertreter einer völlig neuen Substanzklasse. Es inhibiert die bei der HCM übermäßig vorhandenen kardialen Aktin-Myosin-Querverbindungen, wodurch eine Hyperkontraktilität und linksventrikuläre Hypertrophie verhindert werden.
 
RAS-Hemmer und COVID-19: Ja oder nein?
Seit über einem halben Jahr diskutiert die medizinische Fachwelt, ob die Therapie mit Inhibitoren des Renin-Angiotensin- Systems (RAS) bei Patienten mit COVID-19 gefahrlos fortgeführt werden kann. Die Phase-IV-Studie BRACE CORONA lieferte nun die ersten randomisierten Daten. Diese legen nahe, dass die bisherigen Bedenken unbegründet waren und sowohl ACE-Inhibitoren als auch Angiotensin-Rezeptor- Blocker während einer Infektion mit SARS-CoV-2 verabreicht werden können.
Insgesamt 659 Patienten, die wegen COVID-19 hospitalisiert worden waren, nahmen an der Studie teil. Bei der Hälfte wurde die Behandlung mit einem RASHemmer fortgeführt, bei der anderen Hälfte für 30 Tage unterbrochen. Zwischen den Gruppen zeigte sich kein Unterschied in der Dauer des Krankenhausaufenthalts oder der Zahl der Patienten, die während der 30 Tage verstarben. Die Studie bestätigt damit die Ergebnisse mehrerer großer Beobachtungsstudien. RG
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