Morbus Addison

Praxis-Depesche 3/2022

Neue Hoffnung durch Stammzellen?

Rund 30 % der Menschen mit Morbus Addison, Männer häufiger als Frauen, verfügen über eine Restfunktion der Nebennierenrinde. Diese sorgt für eine anhaltende Sekretion von Cortisol, anderen Glukokortikoiden und Mineralokortikoiden. Die klinische Bedeutung dieser Restfunktion ist noch nicht vollständig geklärt. Aber sie weist auf eine intakte Stammzellpopulation in der Nebennierenrinde hin. Dies eröffnet zumindest bei einigen Betroffenen die Möglichkeit der Regeneration der adrenalen Steroidgenese und der Verbesserung der Nebennierenfunktion.
Im Detail
Die autoimmune Addison-Krankheit (AAD) ist eine der seltensten endokrinen Autoimmunerkrankungen und gekennzeichnet durch eine fortschreitende Zerstörung der steroidsezernierenden Zellen der Nebennierenrinde. Entgegen früherer Vermutungen ist die Erkrankung aber heterogener und die Nebennieren resilienter als gedacht.
Früher ging man davon aus, dass Morbus Addison ohne lebenslange Glukokortikoidund Mineralokortikoid-Substitution ausnahmslos tödlich verläuft. Mehrere Kasuistiken über Spontanheilung und langfristige Unabhängigkeit von einer Steroid-Substitution haben jedoch zum Umdenken geführt: Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass die endogene Steroidogenese der Nebennierenrinde (residual adrenal function; RAF) bei einigen Patientinnen und Patienten zum Teil erhalten bleibt, sogar Jahre nach der Diagnose. So ergaben verschiedene Studien bei rund 30 % der Personen mit Addison nachweisbare Cortisol- Serumkonzentrationen, bei 5 bis 10 % bis zu einem Spitzenwert von ≥ 150 nmol/l und damit eine RAF, und zwar über mehrere Jahre. Bei vielen Betroffenen wurde auch eine Restsekretion der Mineralokortikoide ermittelt. Dabei korrelierte die Konzentration des Glukokortikoidvorläufers 11-Desoxycortisol im Serum oder im Urin in allen Fällen stark mit dem Cortisol-Serumwert. Somit könnte 11-Desoxycortisol als Marker für die verbleibende adrenale Steroidgenese dienen. Auch die Annahme, dass das Immunsystem beim Morbus Addison schließlich alle Funktionen der Nebennierenrinde zerstört, konnte jüngst bei einer nicht unwesentlichen Zahl an Fällen widerlegt werden. Es scheint also so zu sein, dass sich der Autoimmunprozess im Laufe der Zeit abschwächt. Möglicherweise bleiben die Nebennierenrinden-Stammzellen (ACSC) von der immunvermittelten Zerstörung verschont, da sie keine Steroid- 21-hydroxylase oder andere steroidogene Enzyme exprimieren, die ja das Ziel des Immunangriffs sind.
 
Nachlassende Autoimmunität
Eine dauerhafte, wenn auch vielleicht reduzierte ACSC-Population hat das Potenzial, sich auf unbestimmte Zeit zu vermehren und die Nebennierenrinde neu zu besiedeln, insbesondere wenn der Autoimmunprozess durch immunmodulatorische Medikamente gehemmt wird oder auf natürliche Weise abklingt. Dies wurde in einer Reihe kleiner experimenteller medizinischer Studien bestätigt. In mehreren kleinen Untersuchungen wies das Autorenteam nach, dass die verbleibende Restfunktion der Nebennierenrinde genutzt werden kann, um die Steroidgenese zumindest über einen längeren Zeitraum zu steigern. Im nächsten Schritt sollte bei Addison- Patient:innen mit RAF untersucht werden, ob eine überlebende pluripotente Stammzellpopulation zur Steigerung der Steroidogenese und zur Hemmung des weiteren adrenalen Funktionsverlusts genutzt werden kann. GS
Quelle: Pearce SHS et al.: Residual adrenal function in Addison’s disease. Eur J Endocrin 2021; 184: R61-7

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