Nicht selten: keine Antikoagulation trotz Indikation
Die Lebenserwartung von Patienten mit Blutungserkrankungen (PWBD) gilt heutzutage als nahezu normal. Allerdings scheinen weder eine Hämophilie noch die von-Willebrand- Erkrankung (vWD) vor der Entwicklung einer Arteriosklerose oder von Vorhofflimmern zu schützen. Dennoch, die kardiovaskuläre Mortalität könnte in der PWBD-Kohorte niedriger als in der Allgemeinbevölkerung sein, was frühere Studien vermuten ließen.
Ob eine Antikoagulation bei diesen Patienten notwendig ist, ist nicht klar, weshalb entsprechende Daten aus acht Hämophilie-Zentren in Deutschland ausgewertet wurden (Poster # 050). Es wurden 27 männliche Patienten mit Hämophilie A oder B oder vWD eingeschlossen, die zudem eine Indikation zur Antikoagulation aufwiesen (Vorhofflimmern, venöse Thromboembolie, mechanische Herzklappe, arterielle Embolie).
52% der Patienten erhielten trotz Indikation keine antithrombotische Therapie; fünf Patienten nahmen zumindest ASS ein. Zwei von vier Patienten mit einer LMWH-Therapie erhielten diese in einer reduzierten Dosis. DOAK nahmen drei Personen ein, einmal in reduzierter Dosis. Die angegebenen Gründe für die Therapieentscheidungen waren entweder Angst vor Blutung oder ein erwartetes niedriges thrombotisches Ereignisrisiko.
In der Real-world-Versorgung von Patienten mit diversen Blutungserkrankungen werden zahlreiche Patienten trotz einer bestehenden Indikation langfristig nicht antithrombotisch behandelt. Nach dieser „Querschnitts-Erkenntnis“ sollte man nun der Sache prospektiv auf den Grund gehen und das tatsächliche Risiko für thromboembolische Ereignisse bei Patienten mit Blutungserkrankungen (PWBD) eruieren.
Patientenversorgung: Nicht alle gehen ins Hämophilie-Zentrum
Deutschland verfügt über ein gut ausgebautes Netz an spezialisierten Hämophilie-Zentren. Da aber das Prinzip der freien Arztwahl gilt, können sich Hämophilie-Patienten auch außerhalb dieser Zentren versorgen lassen. Aber wie groß ist dieser Anteil tatsächlich?
Um diese Frage zu klären, wurden Daten des InEK, von DESTATIS und von Krankenhausqualitätsberichten des Jahres 2015 ausgewertet (Poster #043). 53% der Fälle mit der Hauptdiagnose „Hämophilie A“ wurden in hochspezialisierten Zentren behandelt und 25% außerhalb dieser (der Rest in anderen Hämophilie- Behandlungs-Institutionen). Man sah aber auch, dass sich die Zahl von applizierten Faktor-VIII-Präparaten nicht unterschied, egal ob die Patienten in Zentren oder nicht behandelt worden waren. Für die Hämophilie B galt Vergleichbares mit einem etwas größeren Anteil der Nicht-Zentren. Am häufigsten waren chirurgische und orthopädische Kliniken als Nicht-Hämophilie-Zentren in die Versorgung Hämophiler involviert.
Neuer Funktionstest für Kinder
Dank der Prophylaxe-Therapie von hämophilen Kindern können diese heutzutage fast alle Sport treiben. Sport trägt neben der allgemeinen körperlichen Fitness aber auch zu sozialen Aspekten wie Selbstachtung und zum Körperbild bei. Um die Aspekte der körperlichen Funktionsfähigkeit bei Kindern mit Hämophilie besser evaluieren zu können, wurde nun ein neues Tool vorgestellt: der an Kinder angepasste HEP-Test-Q.
In Diskussionsrunden mit Kindern wurden zunächst die Items des Erwachsenen- HEP-Test-Q angepasst. Die ins Deutsche zurückübersetzten Fragen wurden dann einem Prä-Test, einer Pilot-Phase und schließlich einem Feld-Test unterzogen.
Heraus kam mit dem an Kinder angepassten HEP-Test-Q der erste deutschsprachige Test zur Einschätzung der körperlichen Funktionen von Hämophilie-Kindern in den vier Bereichen „Beweglichkeit“, „Kraft & Koordination“, „Ausdauer“ und „Körperwahrnehmung“. Neben Deutsch ist der Test u. a. in Englisch, Italienisch und Niederländisch verfügbar und hier downloadbar: www.hep-test-q.org.