S3-Leitlinie Colitis ulcerosa

Praxis-Depesche 11/2021

Neues Update konzentriert sich auf Therapie

Medizinische Leitlinien müssen regelmäßig aktualisiert werden, um nicht an Relevanz und Qualität einzubüßen. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten überarbeitet daher gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften jährlich im Rahmen des Konzepts „Living Guideline“ ausgewählte Leitlinien. Nachfolgend eine Zusammenfassung des Updates der S3-Leitlinie Colitis ulcerosa (CU).
Hintergrund und Ziel
Das primäre Ziel der CU-Therapie sind die rasche klinische Remission und die Bewahrung einer langfristigen steroidfreien klinischen und endoskopischen Remission. Bezüglich der Behandlung unkomplizierter Verlaufsformen führt die Leitlinienkommission aus: Zur Remissionserhaltung sollen klinisch wirksame Dosierungen der 5-Aminosalizylate (5-ASA) – möglichst in Form täglicher Einmalgaben – verwendet werden. Angesichts des Nebenwirkungsprofils bei vergleichbarer Effizienz soll dabei Mesalazin Sulfasalazin vorgezogen werden. Eine erfolgreiche Therapie soll mindestens zwei Jahre fortgeführt werden. Ähnlich effektiv und verträglich wie 5-ASA ist der apathogene Escherichia-coli-Stamm Nissle 1917. Er eignet sich daher ebenfalls zur Remissionserhaltung. In der klinischen Praxis kommt allerdings aufgrund der größeren Datenlage sowie des zusätzlichen karzinompräventiven Effekts häufiger 5-ASA zum Einsatz, berichten die Autoren.
 
Therapie richtet sich nach der Verlaufsform
Einen großen Fokus legt die aktualisierte Leitlinie auf die Therapie der komplizierten bzw. schweren CU: Bei mittelschwerer bis schwerer Krankheitsaktivität und unzureichendem Ansprechen auf systemische Steroide soll nach Einschätzung der Experten ein TNF-Antikörper (Infliximab vorzugsweise in Kombination mit einem Thiopurin), Tofacitinib, Ustekinumab, Ciclosporin A oder Tacrolimus eingesetzt werden.
Nach Ansprechen auf eine Therapie mit Calcineurin-Inhibitoren kann eine Therapie mit Azathioprin/Mercaptopurin oder Vedolizumab eingeleitet werden, so die Kommission weiter. Bei Ansprechen auf eine Therapie mit TNF-Antikörpern soll diese Therapie zur Remissionserhaltung fortgesetzt werden. Gleiches gilt für Tofacitinib, es sei denn, es liegen Risikofaktoren für venöse thromboembolische Ereignisse vor. Patienten über 65 Jahre haben zudem ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen sowie ein entsprechend erhöhtes Mortalitätsrisiko. Sie sollen daher Tofacitinib laut Fachinformation nicht bzw. nur bei Fehlen anderer möglicher Therapieoptionen erhalten. Auch bei Ansprechen auf Ustekinumab empfehlen die Experten ein Fortsetzen dieser Therapie, geben diesbezüglich allerdings zu bedenken, dass in Studien mit Ustekinumab behandelte Patienten überproportional häufig maligne Tumore entwickelten. Auch das gehäufte Auftreten mutmaßlich opportunistischer Infektionen unter Ustekinumab, das aus der klinischen Anwendung beim Morbus Crohn allerdings nicht bekannt ist, sei klärungsbedürftig. Zur steroidabhängigen CU äußert sich die Leitlinie folgendermaßen: Die Betroffenen sollen Thiopurin oder einen TNF-Antikörper (im Falle von Infliximab gegebenenfalls plus ein Thiopurin), Vedolizumab, Tofacitinib oder Ustekinumab erhalten. TNF-Antikörper wurden zwar bisher nie in direkten Vergleichsstudien gegeneinander getestet, in Netzwerk- Metaanalysen erwies sich jedoch zumindest bei Biologika-naiven Patienten Infliximab als am effektivsten, gefolgt von Golimumab und Adalimumab.
Für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer CU und unzureichendem Ansprechen auf Thiopurine empfehlen die Experten TNF-Antikörper (im Falle von Infliximab gegebenfalls in Kombination mit Thiopurinen), Vedolizumab, Tofacitinib oder Ustekinumab.
Bei der Frage, welche Therapieoptionen bei einem Therapieversagen auf TNF-Antikörper zur Verfügung stehen, kommt es darauf an, ob es sich um ein primäres Nichtansprechen oder ein sekundäres Therapieversagen handelt, so die Kommission: Im ersten Fall sollen Vedolizumab, Tofacitinib, Ustekinumab oder Calcineurin- Inhibitoren, im zweiten dagegen alternative TNF-Antikörper, Vedolizumab, Tofacitinib, Ustekinumab oder Calcineurininhibitoren gewählt und eine Proktokolektomie in Erwägung gezogen werden.
 
Remissionserhaltung
Abschließend geht die Leitlinie auf die Remissionserhaltung bei kompliziertem CU-Verlauf ein: Patienten, die auf eine Induktionstherapie mit TNF-Antikörpern, Vedolizumab, Tofacitinib beziehunsgweise Ustekinumab ansprechen, sollen den jeweiligen Wirkstoff zum Remissionserhalt weiter erhalten. Aufgrund fehlender Evidenz können die Experten zwar keine Empfehlung zur Dauer der Remissionserhaltung geben – hier muss im Einzelfall entschieden werden –, eine langfristige Fortsetzung der Remissionserhaltung wird aber häufig notwendig sein, meinen sie. Anfang 2022 ist eine erneute Sichtung der relevanten Literatur vorgesehen, schließt die Leitliniengruppe. Liegen dann relevante neue Ergebnisse und Publikationen vor, wird die „Colitis ulcerosa – Living Guideline“ gegebenenfalls erneut aktualisiert. LO
Quelle: Kucharzik T et al.: Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa – Living Guideline August 2020; Z Gastroenterol 2020; 58: 241–32; AWMF-Registriernummer: 021-009

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