Nach dem Tod einer nahen Bezugsperson erleben etwa 90 % der Hinterbliebenen normale, also nicht besonders starke und nicht sehr lange andauernde Trauerreaktionen. Gleichwohl suchen manche in dieser Zeit einen Arzt auf – sei es, weil sie sich in ihrem Befinden beeinträchtigt fühlen, sei es, weil sie unter körperlichen Beschwerden leiden. Nicht selten diagnostiziert dann der Arzt eine Depression und verordnet ein entsprechendes Medikament, in der Regel ein Antidepressivum. Ob diese Diagnose richtig ist, oder ob es einen Unterschied zwischen Trauer und Depression gibt, haben nun Wissenschaftler der Universität Würzburg erforscht.
Eine Kohorte von 406 Hinterbliebenen beantwortete das „Wuerzburg Grief Inventory“ (WGI), einen multidimensionalen Fragebogen zur Messung von Trauerreaktionen in deutscher Sprache, sowie die Allgemeine Depressionsskala/Kurzversion (GDS-S), eine Depressionsskala zur Selbsteinschätzung. Die Daten wurden mittels Faktorenanalyse ausgewertet, um strukturelle Ähnlichkeiten und Abweichungen der Beschwerdebilder Trauer und Depression zu identifizieren. Mittels Varianzanalyse (ANOVA) wurde der Einfluss der Faktoren „Beziehung zum Verstorbenen“, „Art des Todes“ und „Zeit seit dem Verlust“ auf die Ergebnisse angewendet. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler verschiedene Komponenten des Trauerns messen. Als Ergebnis stellte sich so beispielsweise heraus, dass die Beziehung zum Verstorbenen zwar die Trauerwerte aber nicht die Depressionswerte veränderte. Das gleiche galt für die Art des Todes oder die Zeit seit dem Verlust. Das Fazit der Autoren: Eine eng gefasste Vorstellung von normaler Trauer, die allein auf Beeinträchtigungen im Denken und Fühlen ausgerichtet ist, hat große Ähnlichkeit mit einer Depression. Legt man aber ein umfassenderes Bild von Trauern zugrunde, dann erweise sich diese als eine Reaktionsform, die sich deutlich von Depression unterscheidet. AT