Meeting der European Respiratory Society 2016

Praxis-Depesche 10/2016

Nicht zu viel Putzen – Bei Asthma Vitamin D – TB-Therapie täglich

Der internationale Kongress der European Respiratory Society (ERS) ist inzwischen der weltweit größte Kongress für Medizin rund um die Atmung. Hier eine Zusammenstellung von interessanten Neuigkeiten für den Praxisalltag: Putzpersonal sollte auf seine Lunge achten; mit Vitamin D kann man Asthmaanfälle vermeiden; die Medikamenteneinnahme bei TB-Patienten sollte man überwachen.

Putzen schadet der Lunge
 
Kann sich der Hausputz negativ auf die Lungenfunktion auswirken? Dies wurde anhand von Daten von 3400 Frauen aus der „Community Respiratory Health Survey“-Kohorte über 20 Jahre untersucht. Parameter für die Lungenfunktion waren FVC und FEV1. Unterschieden wurde, ob die Teilnehmerinnen „zuhause das Putzen und/oder Waschen erledigen“ oder auch „als Reinigungspersonal arbeiten“. Die Datenerhebung dazu begann 1992 bis 1994 und in der Folge gab es zwei Kontrollerhebungen 1998 bis 2002 bzw. 2010 bis 2012. Zwischen der ersten und letzten Untersuchung verschlechterte sich die FVC derer, die weder beruflich noch zuhause Reinigungsarbeiten ausführten, im Durchschnitt um ungefähr ein Fünftel (19,5%). Die FEV1 ging um 29,6 ml/Jahr zurück. Wesentlich größere Funktionseinbußen hatten Frauen, die putzten. Fanden die Reinigungsaktivitäten nur im häuslichen Bereich statt, sank die FVC um fast ein Viertel (24,6%) und die FEV1 im Mittel um 33,6 ml/Jahr. Mit einem Verlust von 27,6% FVC und 34,6 ml/Jahr FEV1 traten bei beruflichem Reinigungspersonal noch stärkere Beeinträchtigungen auf. Die Unterschiede zu den Vergleichspersonen waren für beide Gruppen signifikant.
 
Putzmittel können reizend wirken
 
„Wir müssen anfangen, viel stärker darauf zu achten, welche Chemikalien sich in der Atemluft lösen, wenn wir Dinge wie Reinigungssprays benutzen“, sagte Øistein Svanes, Studienmitautor, Universität Bergen, Norwegen. Der Grund für die Schädigungen infolge von Reinigungsmitteln liegt wahrscheinlich an Irritantien wie Ammoniak. Darüber hinaus können Bestandteile von Putzmitteln auch sensibilisierend wirken.
 
Vitamin-D-Prophylaxe gegen Asthmaanfälle
 
„Wir haben entdeckt, dass die Gabe eines Vitamin- D-Präparats zusätzlich zur normalen Medikation das Risiko für schwere Asthmaanfälle signifikant reduziert, ohne dass vermehrt Nebenwirkungen auftreten“, verkündete der Hauptautor Prof. Adrian Martineau, UK Asthmazentrum für angewandte Forschung, Queen Mary Universität London. Das ist das Hauptergebnis der neuen Cochrane- Untersuchung, die sieben Studien mit insgesamt 658 Erwachsenen und 435 Kindern berücksichtigte. Die Mehrzahl der Teilnehmer litt unter leichtem bis mittelschwerem Asthma, nur wenige waren schwer betroffen. Der Beobachtungszeitraum lag zwischen sechs und zwölf Monaten.
Die normale Asthma-Dauermedikation wurde von den meis ten weiter eingenommen. Durch eine Vitamin-D-Ergänzung konnte das Risiko für einen Asthmaanfall mit Bedarf von Notfallbehandlung im Krankenhaus oder stationärer Aufnahme von 6% auf 3% gesenkt werden. Im normalen Alltag half die Vitamin-D-Gabe allerdings nicht, die Asthmasymptome zu verbessern. Bei einem akuten Anfall wurden von den Patienten mit Vitamin-D-Medikation seltener Steroide benötigt. „Das Ergebnis ist sehr spannend“, sagte Martineau, „aber wir wissen noch nicht, ob die Vitamingabe bei allen Patienten die schweren Asthmaanfälle reduziert, oder nur bei denen, die zu Beginn einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel haben. Weitere Untersuchungen sind im Gange und wir rechnen mit Ergebnissen innerhalb der nächsten Monate.“
 
Tuberkulose: Therapieverkürzung nicht empfohlen
 
„Seit der letzten Ausgabe der Leitlinie von 2003 mussten wir die Behandlung der Tuberkulose für einige der Spezialindikationen aktualisieren. Das galt vor allem für HIV-Patienten und Kinder. Auch der Teil über ältere Patienten wurde erweitert“, erklärte Prof. Payam Nahid, San Francisco, USA. Er ist der führende Autor der neuen ATS/ERS-Therapieleitlinien für Tuberkulose (TB). Eine der Neuerungen bevorzugt z. B. eine direkte Überwachung der Medikation gegenüber der Selbsteinnahme bei allen Formen der TB. Generell solle die Dauer der Therapie weiterhin sechs Monate betragen. Das wurde unverändert beibehalten, denn Studien, die versuchten diese Zeit zu verkürzen, waren erfolglos. Eine Ausnahme sind Erwachsene ohne HIV mit positivem Abstrich auf säurefeste Stäbchen, aber negativen TB-Kulturen. Bei ihnen ist die viermonatige Behandlung ausreichend. In allen anderen Fällen führt die Therapieverkürzung zu einem Anstieg der Rezidivraten. Bei HIV-Patienten mit oder ohne antiretroviraler Therapie (ART) kann die Medikationsdauer auf sieben oder sogar neun Monate ausgedehnt werden.
 
Intermittierende TB-Therapie und Steroidgabe auf dem Prüfstand
 
Die neuen Leitlinien sehen die größte Wirksamkeit für die tägliche Einnahme einer vierfach Kombination als erwiesen an und raten inzwischen von der einmal wöchentlichen Therapie ab. Ist die intensive erste Therapiephase mit täglicher Medikation abgeschlossen, kann die Erhaltungstherapie dreimal pro Woche stattfinden. Neu ist auch, dass die routinemäßige Indikation von Steroiden bei TB-Perikarditis nicht mehr erfolgt. Ist ein Patient allerdings an tuberkulöser Meningitis erkrankt, sollten Steroide sechs Wochen lang unbedingt zum Therapieregime dazu gehören. SK
ICD-Codes: Z21

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