Kolonkarzinom-Screening

Praxis-Depesche 12/2016

Offene Fragen zum Bluttest „Septin9"

Auch Labore in Deutschland bieten ihn mittlerweile an, einen Bluttest zum Kolonkarzinom- Screening – Preis ca. 100 bis 160,- Euro (nach Angaben der Herstellerwebsite). Aber wie kann man einen derartigen Test sinnvoll in seine Praxis-Vorsorgeroutinen integrieren? Und wie Patienten verlässlich beraten?

Der „Septin9“ genannte Test bestimmt qualitativ das methylierte Septin-9-Gen im Blut. Neben der Koloskopie, Sigmoidoskopie und fäkalem Test auf okkultes Blut (FOBT) steht somit nun eine weitere „Test-Modalität“ zur Verfügung. In Fallkontrollstudien wurde zwar eine Sensitivität und Spezifität von fast 90% ausgewiesen. In einer weiteren klinischen Studie wurde einer von zwei zuvor festgelegten Endpunkte allerdings nicht erreicht: So erzielte Septin9 eine Sensitivität von 68% und eine Spezifität von 79% (laut Studienprotokoll gefordert waren 65% bzw. 85%). In einer weiteren Untersuchung verglich man Septin9 mit einem fäkalen immunhistochemischen Test (FIT) und sah, dass der Gentest die Sensitivität erhöhte (68% vs. 73%), das aber auf Kosten der Spezifität (97% vs. 81%).
Viel wichtiger aber als Sensitivitäts- und Spezifitätszahlen ist die Tatsache, dass der Gentest bislang noch nicht nachweisen konnte, die Gesamt- oder krebsspezifische Mortalität zu reduzieren – für die Sigmoidoskopie und FOBT gibt es entsprechende Nachweise. Weshalb sind Mortalitätsdaten wichtig? Man geht heute davon aus, dass z. B. links- und rechtsseitige Kolonkarzinome unterschiedliche genetische Entstehungsmuster ausweisen können und unterschiedlich aggressiv sein können. Gerade deshalb wird auch kontrovers diskutiert, wie viel mehr Benefit eine komplette Koloskopie versus der Sigmoidoskopie erzielt. Welche Karzinomuntergruppen Septin9 identifiziert, ist aber unklar. Außerdem stellt sich die große Frage, wie mit positiven Ergebnissen umzugehen ist, denn nur wenn einem positiven Ergebnis auch weitere Taten folgen, kann es überhaupt einen Benefit der Testung geben. Und Patienten, die invasive oder unangenehme Maßnahmen scheuen und auf den Gentest ausweichen, haben vielleicht auch kein so großes „Commitment“ und lassen daher gerade keine weiteren Taten folgen.
All das sollte man Patienten bei der Beratung zum Screening erklären, und das kostet Zeit, weshalb es fraglich ist, ob der Patient überhaupt einen „informed consent“ leisten kann, oder ob in der Praxis nicht vielleicht der Test „einfach so“ mitgemacht wird, wenn ohnehin eine Blutabnahme ansteht.
Der Vorteil von Septin9 könnte also eher darin liegen, Patienten, die sonst ein Screening ablehnen (Angst vor Koloskopie, Ablehnung des FOBT), dennoch auf ein Kolonkarzinom hin zu untersuchen. Etwa ein Viertel aller 50- bis 75- Jährigen haben Statistiken zufolge noch nie an einem Kolonkarzinom-Screening teilgenommen, obwohl es für sie empfohlen wird. Es gibt dazu eine Umfrage, die belegt, dass 97% der Koloskopie- Verweigerer einem nicht-invasiven Test zustimmen würden.
In den USA wurde der Test von der FDA nur mit einem Warnhinweis zugelassen, nachdem das Zulassungspanel eigentlich 4 zu 5 gegen eine adäquate Evidenz des Tests stimmte: „Dieser Test kann den Ausschluss von Krebs nicht garantieren“. CB
Quelle:

Parikh RB, Prasad V: Blood-based screening for colon cancer – a disruptive innovation or a disruption? JAMA 2016; 315: 2519-20

ICD-Codes: C18.9

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