Angst oder echte Arrhythmie?

Praxis-Depesche 2/2016

Palpitationen richtig einschätzen

Palpitationen sind meist benigne und gehen vermutlich in weniger als der Hälfte aller Fälle auf eine Herzrhythmusstörung zurück. Woran aber erkennt man, wann es wirklich gefährlich wird?

Palpitationen beschreiben das unangenehme Wahrnehmen des eigenen Herzschlags, beispielsweise als Herzrasen oder -flattern, starkes Herzklopfen oder Auslassen einzelner Schläge. Etwa ein Drittel aller Palpitationen geht auf psychologische Ursachen wie Angstzustände zurück. Im schlimmsten Fall können sie aber auch zum plötzlichen Herztod führen.
Liegt tatsächlich eine Herzrhythmusstörung vor, handelt es sich dabei meist um Tachyarrhythmien oder Extrasystolen. Bei seltenem Auftreten oder jungem Patientenalter sind ventrikuläre Extrasystolen i. d. R. harmlos. Aufmerksam werden sollte man, wenn 30 oder mehr Extrasystolen pro Stunde auftreten und der Patient über 55 Jahre alt ist. Denn manchmal liegt den Extrasystolen eine myokardiale Ischämie, Vernarbung, Hypertonie, Herzinsuffizienz, selten auch kardiale Myopathien oder Erb erkrankungen zu Grunde. Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien stehen dagegen im Zusammenhang mit Überleitungsstörungen z. B. im AV-Knoten. Vorhofflimmern oder -flattern stehen mit Hypertonie, Diabetes, Herzinsuffizienz, koronarer Herzerkrankung und weiteren Ursachen im Zusammenhang. Ab einer Herzfrequenz von 120/min können Vorhofflimmern und anhaltende atriale Tachykardie zu einer linksventrikulären Dysfunktion führen.
In jedem Fall sollte zunächst eine ausführliche Anamnese durchgeführt werden. Der Patient sollte dabei sein Empfinden genau beschreiben und Dauer, Zeitpunkt sowie Auswirkungen der Palpitationen schildern. Bei der klinischen Untersuchung gilt es, mögliche Ursachen wie Herzinsuffizienz, valvuläre Herzerkrankung, Thyrotoxikose und Anämie auszuschließen. Hierfür sollte ein großes Blutbild gemacht werden, inklusive Serumharnstoff-, Kreatinin-, und Elektrolytspiegel sowie Untersuchung der Schilddrüsenfunktion.
Die weitere Risikoabschätzung erfolgt mittels 12-Kanal-EKG. Bei Patienten mit mindestens täglichen Symptomen ist ein 24-Std-EKG angebracht, bei Patienten mit an den meisten Tagen oder wöchentlich auftretenden Symptomen empfiehlt sich ein 48-stündiges bzw. einwöchiges Monitoring. Auch hilft ein 24-Std-EKG bei der Klärung der Ursache und Art der Arrhythmie. Eine vom Patienten gesteuerte Aufzeichnung des Herzrhythmus, beispielsweise über Smartphone-Apps, eignet sich nur bei selten auftretenden Palpitationen und gleichzeitig erhöhtem Risiko. Sind die Palpitationen selten und mit Synkopen assoziiert, kommen implantierbare EKG-Rekorder infrage.
Patienten mit hohem Risiko sollten zum Kardiologen überwiesen werden. Anzeichen für ein erhöhtes Risiko sind: (1) Symptome wie Benommenheit oder Schmerzen in der Brust, (2) zurückliegend wiederholt anhaltende Tachyarrhythmien, Vorhofflimmern oder -flattern sowie Hinweise auf eine strukturelle Herzerkrankung, Hypertonie oder Herzinsuffizienz, (3) zurückliegende mehrfach ambulant aufgezeichnete paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien oder (4) ein abnormales EKG. Dringend überwiesen werden sollten Patienten mit Palpitationen bei körperlicher Betätigung oder in Assoziation mit Synkopen, bei familiärem Vorkommen von plötzlichem Herztod oder kardialen Erbkrankheiten oder bei Vorliegen eines AV-Blocks zweiten oder dritten Grades. OH
Quelle:

Gale CP, Camm AJ: Assessment of palpitations. BMJ 2016; 352: h5649

ICD-Codes: R00.2

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