Serie „Shared Decision Making"

Praxis-Depesche 3/2018

Patienteninformationen: wie und wann sinnvoll?

Viele Institutionen wie Krankenkassen, Selbsthilfegruppen oder Berufsverbände fühlen sich berufen, Patienten broschüren zu erstellen und deren Verwendung Ärzten anzudienen. Manche Ärzte kreieren auch ihre ganz individuellen Patienteninformationen. Im Rahmen von „Shared Decision Making“ kann die Verwendung derartiger Patientenentscheidungshilfen (PEH) sehr sinnvoll sein – wenn man ein paar Dinge beachtet.

In nahezu allen denkbaren Situationen in der Praxis haben PEH einen positiven Effekt auf das medizinische Wissen von Patienten. Die Broschüren oder sonstigen schriftlichen Informationen sollten kompakt und präzise mit ausreichender Detailtiefe formuliert sein. Graphiken und Illustrationen sind zudem hilfreich, sowie eine aktive Sprache.
Aber nicht nur die Gestaltung des Materials, sondern auch der Zeitpunkt der Aushändigung ist für die Wirkung relevant. So hat es sich bewährt, das Informationsmaterial für onkologische Patienten vor dem ersten Arztgespräch auszuhändigen. Werden invasive Prozeduren erläutert (Operationen, Katheter etc.), kann es sinnvoll sein, eine Broschüre zu anschließenden Maßnahmen dem Patienten erst nach erfolgtem Eingriff zu überreichen. Tut man es vorher, wird das häufig von Patienten lediglich als „juristische Maßnahme zur Haftungsbegrenzung“ minder gewürdigt. Zudem ist bekannt, dass sich Patienten nach einer Operation kaum noch an zuvor Besprochenes erinnern.
Die Hoffnung, dass ausführliche Informationen die Adhärenz verbessern, geht besonders bei häufigen und alltäglichen Erkrankungen (wie z. B. akute Otitis media, Verbrennungen oder Rückenschmerzen) meistens auf. Allerdings kann es auch vorkommen, dass sich Patienten gerade aufgrund der ausführlichen Informationen gegen eine Therapie entscheiden (z. B. Einnahme von Kontrazeptiva). So zeigten Studien, dass PEH die Adhärenz beim PSA-Screening verbesserten, digital-rektale Untersuchungen zur Karzinomvorsorge aber seltener wahrgenommen wurden. In der Regel führen PEH aber zu einer besseren Adhärenz und zu einer Verringerung der Folgekonsultationen in der Praxis.
Bei Krebspatienten konnten PEH nachweislich die Ängstlichkeit senken. Ebenso als bestätigt gilt, dass PEH Nebenwirkungen von Medikamenten durch „Suggestion“ nicht erhöhen, sondern diese eher reduzieren, und z. B. Antibiotika bei banalen Infekten seltener verlangt und eingenommen werden.
Broschüren und vergleichbares Material sollten immer vom Arzt persönlich ausgehändigt und dabei wie ein Rezept behandelt und wertgeschätzt werden. CB
Quelle:

Sustersic M et al.: How best to use and evaluate patient information leaflets given during a consultation: a systematic ... Health Expect 2017; 20: 531-42

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