Akute Otitis media bei Kindern

Praxis-Depesche 7-8/2022

Paukenröhrchen nicht immer besser als Antibiotika

Ein 30 Monate junger Patient präsentiert sich zum vierten Mal innerhalb der letzten sechs Monate mit einer akuten Mittelohrentzündung. Sollten hier Paukenröhrchen eingesetzt werden oder abermals eine Antibiotikatherapie zum Einsatz kommen? Die Frage lässt sich nicht leicht beantworten.
Im Kindesalter werden die meisten Antibiotika zur Therapie von akuter Otitis media (AOM) verabreicht. Am häufigsten sind davon Kinder im Alter unter drei Jahren betroffen. Die Pneumokokken-Konjugat- Impfstoffe PCV7 und PCV13 haben die Gesamtinzidenz von AOM bisher nur leicht reduziert. Aktuell werden rezidivierende AOM mit Antibiotika oder/und Myringotomie zusammen mit dem Einsatz von Paukenröhrchen (tympanostomy tubes, TT) behandelt. In den USA kommt eine Myringotomie mit TT meist bei wiederkehrender oder chronischer AOM mit Mittelohrerguss oder bei Patient:innen mit Anomalien des Trommelfells zur Anwendung. Insgesamt wird in den USA rund 7 % aller unter Dreijährigen ein TT gesetzt. Der Einsatz solcher Paukenröhrchen wird jedoch kontrovers diskutiert. Denn neben kurzzeitiger Otorrhoe kann ein TT zu längerfristigen Komplikationen führen wie Hörverlust, erhöhte Infektanfälligkeit oder auch Tympanosklerose. In Studien wurde zwar gezeigt, dass im ersten Jahr nach Einsatz eines TT die Inzidenz von AOM niedriger war und weniger orale Antibiotika verschrieben wurden als beim Management ohne TT, im zweiten Jahr nach dem Eingriff war dieser Unterschied jedoch schon nicht mehr signifikant. Insgesamt sind Paukenröhrchen und die periodische Antibiotikatherapie bei AOM als gleichwertige Optionen zu betrachten – es bleibt also eine individuelle Entscheidung. GH
Quelle: Griffith JL, Goldman RD: Tympanostomy tubes for children with acute otitis media. Can Fam Physician 2022; 68(5): 345-7
ICD-Codes: H66.9

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