European Society of Cardiology, Wien, 2003

Praxis-Depesche 18/2003

Plädoyer für umfassende RAS-Hemmung

Die ESC-Tagung in Wien stand im Zeichen der Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems (RAS). Mit CHARM und EUROPA wurden zwei aufsehenerregende Mega-Studien präsentiert. Beide, so meinen Experten, könnten die zukünftige kardiovaskuläre Therapie nachhaltig beeinflussen.

Die HOPE-Studie hat mit EUROPA Bestätigung gefunden: Auch der langwirkende ACE-Hemmer Perindopril bewies in dieser Studie mit mehr als 12 000 Teilnehmern, dass er über die Blutdrucksenkung hinaus einen antiatherosklerotischen Effekt hat. Behandelt wurden Patienten mit stabiler KHK - viele nach Infarkt - und geringerem kardiovaskulärem Risiko als in HOPE. Perindopril (8 mg/d) oder Plazebo wurden zusätzlich zur normalen Therapie gegeben. Diese enthielt bei über 90% einen Plättchenhemmer, bei 62% einen Betablocker und bei 58% einen Lipidsenker. Trotz dieser Basis-Behandlung wurde der Endpunkt (Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Infarkt oder Herzstillstand) durch zusätzliches Perindopril im Verlauf der vierjährigen Studie nochmals um 20% (absolut von 10 auf 8%) reduziert. Die zwei Hauptautoren der Studie, Prof. Kim Fox, London, und Prof. Willem Remme, Rotterdam, forderten die Kollegen auf, nun bei allen KHK-Patienten die Perindopril-Gabe zu erwägen. Die ACE-Hemmer-Behandlung nutzte übrigens genauso gut denen, die zusätzlich ein Statin und einen Betablocker nahmen. Stark beachtet wurde auch CHARM. Das Programm aus drei Teilstudien trägt dazu bei, die Rolle der AT1-Blocker bei Herzinsuffizienz nun besser zu definieren. Nach ValHeFT hatten diese Wirkstoffe zwar Eingang in die Leitlinien gefunden, jedoch nur als Alternative bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit. Aufgrund einer retrospektiven Subgruppen-Analyse von ValHeFT war vor der Tripel-Kombi mit ACE-Hemmer und Betablocker sogar eher gewarnt worden. In diesem Punkt müssen die Guidelines jetzt aber geändert werden, so die CHARM-Autoren, Prof. John McMurray und Prof. Karl Swedberg, in Wien. Denn in der Substudie, in der Candesartan zusätzlich zum ACE-Hemmer gegeben wurde, reduzierte sich dadurch der primäre Endpunkt, kardiovaskulärer Tod oder Klinikbehandlung wegen Herzinsuffizienz, um 15% (absolut von 42 auf 38%) über knapp dreieinhalb Jahre. In der zweiten Teilstudie wurde Candesartan Herzinsuffizienz-Patienten verabreicht, die einen ACE-Hemmer nicht vertrugen. Hier war der Nutzen besonders deutlich: Der primäre Endpunkt, der in allen Teilstudien gleich war, wurde in drei Jahren um relativ 23% (absolut 7%) reduziert. Die dritte Teilstudie mit Herzinsuffizienz-Kranken mit EF über 40% verfehlte mit 11% relativer Risikoreduktion (absolut: 2%) im primären Endpunkt das Signifikanz-Niveau. Die Verträglichkeit von Candesartan war zwar gut, doch kamen Nebenwirkungen, vor allem Hypotonie, Serumkreatinin-Anstieg oder Hyperkaliämie gehäuft vor - dies unterstreicht nach Ansicht der Autoren die Notwendigkeit, die Patienten vor allem bei Kombination von Sartan und ACE-Hemmer sorgfältig zu überwachen. Zu den weiteren interessanten Studien gehörte ESTEEM mit dem oralen direkten Thrombin-Inhibitor Ximelagatran. Bei mehr als 1800 Patienten mit kürzlich durchgemachtem Infarkt erwies sich die Kombination von Ximelagatran und ASS als effektiver, um erneute kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern, als ASS allein. Das relative Risiko wurde um 24% (von 16,3 auf 12,7% innerhalb von sechs Monaten) gesenkt. In GRACIA-2 testete man ein neues Konzept der Akuttherapie beim Herzinfarkt: die "facilitated PCI", eine prähospitale Lyse mit anschließender Koronarintervention. Das Ziel ist, die Vorteile der Lyse, die rasche Verfügbarkeit, und die der PTCA, die höheren Eröffnungsraten, zu kombinieren. Bei 200 Patienten mit akutem Infarkt erwies sich die prähospitale Lyse mit Tenecteplase mit anschließender PCI in den folgenden zwölf Stunden als ebenso effektiv und sicher wie eine primäre Angioplastie innerhalb der ersten drei Stunden nach Symptombeginn. Die "facilitated PCI" ist offenbar eine gute Alternative, wenn bis zur Katheter-Behandlung einige Stunden zu überbrücken sind.

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