Dramatisches Darmproblem

Praxis-Depesche 11/2016

Psychose durch Malabsorption

Scheinbar aus dem Nichts heraus entwickelte eine junge Doktorandin die Wahnvorstellung von einer gegen sie gerichteten Verschwörung. Als sie nach einem Einbruch in ihre Wohnung ihre eigenen Eltern verdächtigte, wurde sie in die Psychiatrie eingeliefert. Die Ursache ihrer Psychose lag jedoch nicht in der Psyche, sondern im Darm.

Bei ihrer Einlieferung wies die 37-Jährige keine anderen psychischen Probleme auf, dafür aber eine ausgeprägte Eisenmangelanämie sowie ein Vit.-B12- und Vit.-D-Defizit. Sie erhielt Risperidon und Sertralin gegen die Psychose sowie Mineral- und Vitaminsupplemente und wurde nach einem Monat entlassen. Bei der Nachsorge sechs Wochen später entdeckte man bei der unwillentlich auf einen BMI von 16 kg/m² abgemagerten Patientin ein papilläres Schilddrüsenkarzinom und diagnostizierte eine Hashimoto-Thyroiditis. Der Krebs wurde im Rahmen einer Thyreoidektomie entfernt. Trotz mehrfacher Dosiseskalation von Levothyroxin blieb der Thyrotroponinspiegel der Patientin jedoch nach weiteren sechs Monaten erhöht. Auch zeigten die Antipsychotika nur begrenzt Wirkung.
Die Eisenmangelanämie allein kommt als Psychoseursache ebenso wenig infrage wie das Vit.-B12-Defizit. Ein starkes Vit.-D-Defizit kann dagegen durchaus zu psychotischen Symptomen führen. Mangelzustand, Gewichtsverlust, Hashimoto-Thyroiditis und das schlechte Ansprechen der Medikamente ließen eine Malabsorption im Darm mit autoimmunem Hintergrund vermuten. Ein stark positives Testergebnis auf IgA-Transglutaminase- Antikörper und eine Dünndarmbiopsie bestätigten den Verdacht einer Zöliakie.
Die immer noch psychotische Patientin war jedoch von einer Falschdiagnose überzeugt und verweigerte die glutenfreie Diät. Erst nachdem sie einen Selbstmord versuchte, wurde sie in einer Psychiatrie auf eine glutenfreie Diät gesetzt. Nach drei Monaten gingen die Wahnvorstellungen zurück. OH

Quelle:

Delichatsios H, Fasano A: Case 14-2015: a 36- year-old woman with adult-onset psychosis. N Engl J Med 2016; 374: 1875-83

ICD-Codes: K90.9

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