Stethoskop eines Kardiologen

European Society of Cardiology The Digital Experience 27.–30. August 2021

Praxis-Depesche 11/2021

Quadpill gegen Bluthochdruck und weitere Neuheiten

Bereits zum zweiten Mal fand der weltweit größte Kardiologiekongress aufgrund der Pandemie virtuell statt. Besonders interessant waren die Hotline-Session, die die gängige Behandlungspraxis verändern könnten. Hier eine Zusammenfassung.
Empagliflozin: das erste Medikament mit klarem Vorteil für HFpEF-Patienten
Erstmals steht mit Empagliflozin ein Medikament zur Verfügung, mit der sich der Krankheitsverlauf bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF, Ejektionsfraktion > 40 %) positiv beeinflussen lässt. An der EMPERORPreserved- Studie nahmen 5.988 Patienten mit Herzinsuffizienz (HF) mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) > 40 % teil. Nach der Randomisierung wurden die Teilnehmer entweder mit 10 mg Empagliflozin täglich oder Placebo jeweils zusätzlich zu ihrer üblichen Therapiebehandelt und über einen medianen Zeitraum von 26 Monaten beobachtet. „Primärer Endpunkt der Studie war eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod und stationärem Aufenthalt aufgrund von Herzinsuffizienz, und die beiden wichtigsten sekundären Endpunkte sind erste und wiederholte Herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung sowie der Anstieg der eGFR bei diesen Patienten im zeitlichen Verlauf“, erläuterte Studienleiter Prof. Stefan Anker, Universitätsklinikum Charité, Berlin. In Bezug auf die zugrundeliegende Medikation wurden Studienteilnehmer meist ähnlich behandelt wie HF-Patienten mit reduzierter Ejektionsfraktion, z. B. bekamen ≥ 80 % einen Renin-Angiotensin-Aldosteron- System-Hemmer (RAAS) und > 85 % Betablocker. 49 % der Patienten waren Diabetiker.
Das Risiko für Todesfälle und Klinikaufenthalte wegen sich verschlechternder Herzinsuffizienz (primärer kombinierter Endpunkt) verringerte sich bei Therapie mit Empagliflozin signifikant um 21 % im Vergleich zu Placebo, unabhängig davon, ob die Teilnehmer Diabetiker waren (Hazard Ratio [HR] 0,79; 95%-KI: 0,69–0,90; p < 0,001). Interessanterweise war der Unterschied zwischen den Behandlungsarmen bereits ab dem 18. Tag vorhanden. Die Auswertung der einzelnen Komponenten des primären Endpunkts verdeutlichte, dass die Wirkung hauptsächlich auf einer Verringerung der ersten Krankenhauseinweisung (HR 0,71) beruhte und nicht durch einen Rückgang der kardiovaskulären Todesfälle (HR 0,91) bedingt war.
Auch das Resultat für den sekundären Endpunkt des ersten/wiederholten stationären Aufenthaltes wegen HF zeigte eine klinisch bedeutsame Verbesserung um 27 % (HR 0,73, p = 0,0009). Darüber hinaus war auch die Abnahme der Nierenfunktion im zeitlichen Verlauf unter Empagliflozin signifikant geringer (p < 0,0001). „EMPEROR-Preserved ist die erste Studie, die den eindeutigen klinischen Nutzen eines Medikaments bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Ejektionsfraktion zeigt“, schloss Anker.
 
COVID-Patienten mit erhöhtem Thromboserisiko profitieren von längerer Rivaroxaban-Therapie
Die MICHELLE-Studie wurde konzipiert, um den möglichen Vorteil einer verlängerten antithrombotischen Prophylaxe mit Rivaroxaban 10 mg für COVIDPatienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zu untersuchen. In der Tat scheinen Patienten mit hohem Risiko von einer Fortführung der Rivaroxaban- Therapie zu Hause zu profitieren. Für die offene kontrollierte Studie wurden 318 erwachsene COVID-Patienten in Verumoder Placeboarm randomisiert. Alle Studienteilnehmer hatten zuvor im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes von ≥ 3 Tagen standardmäßig eine Thromboseprophylaxe erhalten. Eingeschlossen wurden Patienten mit Risikoscores ≥ 4 im modifizierten IMPROVEVTE bzw. 2 oder 3, sofern der initiale D-Dimer-Wert > 500 ng/ml gemessen worden war, d. h. Patienten mit erhöhtem Thromboserisiko.
Der primäre Endpunkt bestand aus einer Kombination verschiedener klinischer und bildgebender Parameter: symptomatische venöse Thromboembolie (VTE), VTE-bedingter Tod, VTE der unteren Extremität, symptomatische arterielle TE, Myokardinfarkt, nicht hämorrhagischer Apoplex, schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis der Extremitäten und kardiovaskulärer Tod an Tag 35. Die Ausgangscharakteristika waren insgesamt in den beiden Studienarmen ausgewogen.
Bei ambulant fortgesetzter Rivaroxaban- Therapie reduzierte sich das relative Risiko für den primären Endpunkt um 67 % (p = 0,03). „Bei Aufschlüsselung nach Komponenten des primären Endpunktes konnten wir feststellen, dass das Auftreten des primären Endpunktes im Wesentlichen auf Lungenembolien zurückzuführen war, und zwar sowohl auf asymptomatische als auch auf symptomatische und tödliche Lungenembolien in der Kontrollgruppe“, erklärte Prof. Eduardo Ramacciotti, Santa Casa School of Medicine, São Paulo, Brasilien.
In puncto Sicherheit kam es in keinem der Studienarme zu größeren Blutungen. „Bei Patienten mit erhöhtem IMPROVE-Score, die nach einem Krankenhausaufenthalt wegen COVID-19 entlassen wurden, verbesserte eine Thromboseprophylaxe mit Rivaroxaban 10 mg einmal täglich über 35 Tage die klinischen Ergebnisse, ohne die Blutungsrate zu erhöhen“, schloss Ramacciotti.
 
Mit der Quadpill zur besseren Blutdruckkontrolle
Schon frühere Studien haben gezeigt, dass die meisten Hypertoniker mindestens zwei Antihypertensiva benötigen, um Normotonie zu erreichen. Die australische QUARTET-Studie zeigte jetzt, dass eine Fixkombination, die vier extrem niedrig dosierte Antihypertensiva in einer Kapsel vereint (daher der Name „Quadpill“) wesentlich erfolgreicher hinsichtlich Blutdruckkontrolle abschneidet als die antihypertensive Monotherapie. Die Kapseln mit der Kombination aus einem Viertel der üblichen Dosis Irbesartan, Amlodipin, Indapamid und Bisoprolol sind kommerziell nicht erhältlich und wurden eigens für die Studie hergestellt. Die Forschergruppe um Prof. Clara K Chow von der University of Sydney, Australien, randomisierte 591 Patienten entweder in die Quadpill-Gruppe (n = 300) oder in eine Kontrollgruppe, die eine Monotherapie mit Irbesartan (150 mg) erhielt. Alle Patienten wiesen entweder eine noch unbehandelte Hypertonie mit Blutdruckwerten ≥ 140/90 mmHg auf oder die Patienten hatten trotz antihypertensiver Monotherapie Blutdruckwerte ≥ 130/85 mmHg (oder ≥ 125/80 mmHg bei ambulanter 24-Stunden-Messung während des Tages). Patienten, die das Blutdruckziel unter der ihnen zugewiesenen Therapie nicht erreichten, wurden mit zusätzlichen Medikamenten behandelt. Die Mehrheit der Studienteilnehmer, nämlich 84 %, nahmen nach zwölf Wochen nur die Quadpill ein. Nach 52 Wochen nahmen 79 % nur die Vierertablette ein gegenüber 57 % in der Kontrollgruppe“, so Chow. In der Interventionsgruppe mussten nach zwölf Wochen bei nur 15 % und in der Kontrollgruppe bei 40 % der Patienten zusätzliche Antihypertensiva eingesetzt werden. Nach zwölf Wochen war der Blutdruck in der Quadpill-Gruppe um 6,9 mmHg niedriger als bei Patienten, die eine Irbesartan-Monotherapie erhalten hatten (p < 0,0001, primärer Studienendpunkt). 76 % der Patienten, die die Quadpill eingenommen hatten, gegenüber 58 % in der Kontrollgruppe, erreichten eine Blutdruckkontrolle (definiert als Blutdruck < 140/90 mmHg; p < 0,0001).
Die Quadpill blieb bis zum Ende der Studie nach einem Jahr überlegen: In der Untergruppe von 417 Patienten, die bis zu zwölf Monate lang in der Studie blieben, hatten die Patienten, die die Quadpill einnahmen, einen um −7,7 mmHg niedrigeren systolischen Blutdruck als die Kontrollgruppe (95%-KI: 5,2–10,3 mmHg; p < 0,0001). 81 % der Patienten, die die Quadpill eingenommen hatten, gegenüber 62 % in der Kontrollgruppe, erreichten nach einem Jahr eine Blutdruckkontrolle. Nach zwölf Wochen traten in der Interventionsgegenüber der Kontrollgruppe sieben (3 %) bzw. drei (1 %) schwere unerwünschte Ereignisse auf. Zudem gab es keine gehäuften Behandlungsabbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen (4,0 % vs. 2,4 % in der Kontrollgruppe; p = 0,27).
„Der Beginn mit einer ultraniedrig dosierten Kombination ist wirksamer als der übliche Weg, Patienten zunächst mit einem Medikament zu behandeln. Wir waren begeistert, dass wir bei unseren Patienten so schnell eine Blutdruckkontrolle erreichen konnten“, schloss Chow. AK
Quelle:

Anker S. EMPEROR-Preserved: effect of empagliflozin on cardiovascular death and heart failure hospitalisations in patients with heart failure with a preserved ejection fraction, with and without diabetes. Session: Hot Line - EMPEROR-Preserved.

Ramacciotti E. The Michelle trial: Medically ill hospitalized patients for COVID-19 thrombosis extended prophylaxis with rivaroxaban therapy. Session: Late Breaking Trials - COVID 19.

Chow C: Quadruple UltrA-low-dose tReaTment for hypErTension – QUARTET. Session: Late Breaking Trials in Hypertension.

ICD-Codes: U07.1
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