EULAR 2020

Praxis-Depesche 7-8/2020

Rheumatische und muskuloskelettale Erkrankungen (RMD) in Pandemie-Zeiten

Aufgrund der COVID-19-Pandemie fand der Europäische Rheumatologenkongress jetzt als rein virtueller Kongress statt. Hier einige Highlights vom E-Kongress, den Sie online bis 1. September besuchen können (www.eular.org).
In Europa leiden rund 120 Millionen Menschen an der „geheimen Volkskrankheit“ Rheuma. Das Immunsystem von Patienten mit sogenannten rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen (RMD) ist einerseits durch die mit einer rheumatischen Erkrankung einhergehenden Entzündung geschwächt. Zum anderen unterdrücken Rheuma-Medikamente bewusst die Abwehrfunktion des Immunsystems.
 
Interdisziplinäre Entscheidungen gefordert
Auf der Grundlage bestehender Leitlinien und Expertenmeinungen formulierte eine multidisziplinäre EULAR-Arbeitsgruppe einige Kernsätze zum Thema COVID-19 und RMD:
- Bis heute gibt es keine Hinweise darauf, dass Patienten mit RMD ein höheres Risiko haben, an SARSCoV-2 zu erkranken, als Personen ohne RMD, oder dass sie eine schlechtere Prognose haben, wenn sie daran erkranken.
- Für die Diagnose und Behandlung von COVID- 19 bei Patienten mit RMD ist in erster Linie ein Experte für die Behandlung von COVID-19 zuständig.
- Rheumatologen sind die führenden Experten für die immunsuppressive Behandlung ihrer Patienten und sollten in die Entscheidung über deren Beibehaltung oder Einstellung einbezogen werden.
- Der Einsatz immunsuppressiver Medikamente für die Behandlung von COVID- 19 sollte eine multidisziplinäre Entscheidung sein.
 
COVID-19: Welche Medikamente bei Rheuma? Ein Update
Professor Gerd Burmester, Berlin, erläuterte im Vorfeld des EULAR das aktuelle Vorgehen: „Zunächst ist wichtig, dass die Patienten nicht eigenmächtig aus Furcht vor einer Virusinfektion oder einem schlechteren Verlauf bei einer solchen Erkrankung die Medikation absetzen.“ Die zentrale Empfehlung sei momentan eine niedrige Kortison- Gabe. Burmester betonte die Wichtigkeit von Impfungen gegen Grippe und Pneumokokken gerade in Pandemiezeiten. Auch an die die Keuchhusten-Impfung müsse stets gedacht werden. Er appellierte, Risikofaktoren für einen schwereren Verlauf von COVID-19 nicht aus den Augen zu verlieren – dazu zählen auch bei Rheuma-Patienten ein höheres Lebensalter, deutliches Übergewicht, kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen, Bluthochdruck und Diabetes. Die Empfehlungen der EULAR zum Einsatz von Medikamenten in Zeiten der Pandemie werden online ständig aktualisiert und sind auf der EULAR-Website einsehbar.
 
Forschungsdatenbank zu COVID-19 und RMD ist online
Die Europäische Liga gegen Rheuma (EULAR) hat vor kurzem eine europäische Forschungsdatenbank eingerichtet mit dem Ziel, COVID-19-Fällen bei Kindern und Erwachsenen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen zu melden und zu beobachten. Die Datenbank kann hier eingesehen werden: https://www.eular.org/ eular_covid19_database.cfm
 
Fatigue bei RA kann verbessert werden
Rheumatoide Arthritis (RA): Die entzündlichen Prozesse im Körper können zu einem Gefühl der Schwäche, Erschöpfung und Abgeschlagenheit führen, abnorme Müdigkeit wird auch durch Ausruhen kaum gelindert und kann den Patienten ständig oder zumindest über weite Strecken begleiten. Die EULAR empfiehlt daher, auch bei so genannten Niedrigrisikopatienten frühzeitig zu überlegen, ob eine Intensivbehandlung eingeleitet werden sollte. Eine belgische Studie kam nun zu dem Schluss, dass eine frühe Intensivbehandlung, bei der Methotrexat mit einem Überbrückungsschema von Prednison kombiniert wird, die belastende Müdigkeit verringern kann; dies gilt auch für Patienten mit geringem Risiko eines schweren Verlaufs. Die Patienten, die zwei Jahre lang intensiv mit der Kombinationstherapie beider Medikamente behandelt worden waren, waren weniger müde als die Patienten in der Monotherapie-Kontrollgruppe – obwohl die Krankheitsaktivität in beiden Gruppen im Zeitverlauf vergleichbar war.
 
Neue Studie belegt Effektivität von Assistenzpersonal
Allein in Deutschland gibt es mindestens 1,5 Millionen Menschen mit RMD, jedoch kann hierzulande nur die Hälfte der Patienten angemessen behandelt werden, da ein Mangel an Rheumatologen besteht. Der Einsatz von Assistenzpersonal könnte die Situation verbessern, die Delegation ärztlicher Leistungen in der Rheumatologie wird international empfohlen. Rheumatologische Fachassistenten (RFAs) haben zusätzliches theoretisches und praktisches Wissen rund um die Versorgung von Menschen mit rheumatischen oder muskuloskelettalen Erkrankungen. Nun belegte eine Studie erstmals auch für Deutschland, dass die Versorgung von Patienten mit entzündlichrheumatischen Erkrankungen durch RFAs nicht schlechter abschneidet als die alleinige Behandlung durch Rheumatologen. Während die eine Studiengruppe der 236 Patienten in dem zwölfmonatigen Untersuchungszeitraum ausschließlich von Rheumatologen betreut wurde, übernahmen in der anderen Studiengruppe RFAs zeitweilig zu drei festgelegten Zeitpunkten die Betreuung; der Arztkontakt war hier nur kurz. Die Daten zeigen, dass eine strukturierte Delegation von ärztlichen Aufgaben an einen RFA dem derzeitigen Versorgungsstandard nicht unterlegen ist. FW
ICD-Codes: M06.9 , U07.1 , G93.3

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