TIA und leichter Apoplex

Praxis-Depesche 2/2017

Schnellstmöglich ASS geben!

Acetylsalicylsäure (ASS) wird zur Sekundärprävention nach einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA) oder ischämischem Schlaganfall empfohlen. Hintergrund sind Studien, die eine 13%ige Reduktion des Apoplex-Langzeitrisikos zeigten. Man weiß aber, dass das Apoplex-Rezidivrisiko innerhalb der ersten Tage nach dem initialen Ereignis am höchsten ist, worauf aber nicht alle Studien eingehen. Die Autoren versuchten daher nun nachzuweisen, dass ASS besonders innerhalb der ersten Tage wichtig für TIA/ Apoplex-Patienten ist – und waren erfolgreich. Ihre klaren Ergebnisse hätten auch Auswirkungen auf die „Gesundheitserziehung“ generell, so die Autoren.

Hintergrund

Weshalb ASS im Zeitverlauf so unterschiedliche Effekte auf das Rezidivrisiko hat, ist nicht völlig klar. Eigentlich ist es für präventive Medikamente unüblich, das Risiko für einen schweren Apoplex mit neurologischem Residuum mehr zu senken als für „leichtere“ Schlaganfälle – man könnte daher einen neuroprotektiven Effekt von ASS vermuten (Prostaglandin-vermittelte Wirkung auf die Mikrovaskulatur). Eine Erklärung für den „Wirkverlust in der Prävention über die Zeit“ könnte sein, dass ASS nur in Phasen aktivierter Thrombozyten wirkt. Eine weitere Hypothese ist, dass sich die Thrombozyten an ASS „adaptieren“, und diese dann über nicht-COX-mediierte Mechanismen hochreguliert werden.

Die individuellen Daten von über 15 000 Patienten aus zwölf Studien, die ASS versus Plazebo in der Sekundärprävention nach TIA oder Apoplex verglichen, wurden gepoolt erneut ausgewertet. Dabei stratifizierte man den Zeitraum nach Randomisierung in „kürzer als sechs Wochen“, „sechs bis zwölf Wochen“ und „länger als zwölf Wochen“.
ASS reduzierte das Risiko eines zweiten Apoplex/TIA insgesamt signifikant um ca. 60%. Betrachtete man nur schwere (mit bleibender neurologischer Beeinträchtigung) oder tödliche Schlaganfälle, betrug die Risikoreduktion sogar etwa 70%. Besonders ausgeprägt war der ASS-Nutzen bei Patienten mit schwerem/ tödlichen Folge-Apoplex innerhalb der ersten zwei Wochen nach dem Erst-Ereignis (TIA oder leichter Apoplex): Hier betrug die Risikoreduktion 93% (von 23 betroffenen Patienten pro 5726 auf 2 pro 6691). Im Zeitfenster 0 bis 6 Wochen reduzierte ASS das Risiko um 81%. Alle Effekte waren unabhängig von Dosierung, Patientencharakteristika oder TIA/ Apoplex-Ätiologie.
Von Woche 6 bis Woche 12 hatte ASS immer noch einen kleinen positiven Effekt, nach Woche 12 hingegen nicht mehr.
Für die Dipyridamol-Gabe (zusätzlich zu ASS) war der Wirksamkeitszeitverlauf genau entgegengesetzt: Innerhalb der ersten zwölf Wochen verbesserte zusätzliches Dipyridamol das Rezidivrisiko nicht; erst danach sank es um 24%. In diesen Fällen wurden überwiegend tödliche oder schwere, mit verbleibendem neurologischen Defizit verbundene Rezidive verhindert.
 
Die Öffentlichkeit schulen
 
ASS ist die medikamentöse „Schlüsselintervention“, wenn es um die Vermeidung von Rezidiven insbesondere nach TIA und leichten Schlaganfällen geht. Da insbesondere in der frühen Phase nach einem ersten Event ASS seine „Rezidiv-verhindernde“ Wirkung ausspielt, sollte die Öffentlichkeit informiert und geschult werden, dass eine frühzeitige ASS-Selbstmedikation bei möglicher TIA besonders wichtig ist, so die Autoren. Natürlich gilt die Notwendigkeit einer frühzeitigen ASS-Gabe auch für Versorgung durch medizinisches Personal. CB
Quelle:

Rothwell PM et al.: Effects of aspirin on risk and severity of early recurrent stroke after transient ischaemic attack and ischaemic stroke: time-course analysis of randomised trials. Lancet 2016; 388: 365-75

ICD-Codes: I64

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