Stabile COPD mit Hyperkapnie

Praxis-Depesche 12/2015

Signifikante Mortalitätsreduktion durch nichtinvasive Maskenbeatmung

Bislang galten die Ergebnisse zur nichtinvasiven Überdruckbeatmung (NPPV) bei COPD als kontrovers. Nun untersuchte man in Zentren in Deutschland und Österreich, ob eine NPPV bei hyperkapnischen Patienten mit schwerer aber stabiler COPD die Gesamtmortalität reduzieren kann, wenn sich durch die Beatmung die Werte der Blutgasanalyse nachweislich bessern. Mit einer Reduzierung des Sterblichkeitsrisikos um 76% war der Benefit der NPPV überraschend deutlich. Aber auch einzelne Scores der Lebensqualität besserten sich signifikant durch die Beatmungstherapie von sechs Stunden pro Nacht.

Typische Zeichen der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) sind schwere bronchiale Obstruktion, Überblähung und chronische Ateminsuffizienz. Als ursächliche Mechanismen (auch der begleitenden Hyperkapnie und kompensatorischen respiratorischen Azidose) gelten die chronische Insuffizienz der Atemmuskulatur und Veränderungen der zentralen Atemregulation. Eine nichtinvasive Beatmung (NPPV, non-invasive positive pressure ventilation) kann zahlreiche pulmonale Variablen günstig beeinflussen (z. B. Blutgase, Überblähung, 6-Minuten- Gehtest). Dennoch wurde ein signifikanter Effekt auf die Mortalität bislang nicht gezeigt. Daher legte man nun eine Studie auf, die die Auswirkungen einer „Blutgas-effektiven“ NPPV auf Mortalität und Lebensqualität prüfte.

Schwere hyperkapnische COPD

Die von den Untersuchern initiierte, prospektive und randomisierte Multicenter-Studie schloss 195 Patienten mit einer stabilen schweren COPD im GOLD-Stadium IV ein (FEV1 <30% des Sollwertes, FEV1/FVC <70%). Als „stabil“ wurden Patienten gewertet, wenn diese mindestens vier Wochen vor Randomisierung keine akuten Exazerbationen erlitten hatten. Zudem mussten Patienten eine nachgewiesene Ateminsuffizienz in Ruhe aufweisen, definiert als PaCO2 >7 kPa (51,9 mmHg) und pH >7,35. Ausschlusskriterien waren andere Thorax-/Lungenerkrankungen, BMI ≥35 kg/m2, Malignität, Herzinsuffizienz NYHA IV, instabile Angina und schwere kardiale Arrhythmien.

Die Patienten untersuchte man in 36 Zentren in Deutschland und Österreich zwischen 2004 und 2011. Die Intention-to-treat-Auswertung (ITT) erfolgte nach dem PROBE-Design (prospective randomized open blinded end-point), da die Intervention NPPV naturgemäß nicht verblindet oder plazebokontrolliert durchgeführt werden konnte. PROBE-Studien zeichnen sich durch eine gute Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die klinische Praxis aus, da die Interventionen praxisnah sind und die Auswertung durch verblindete Untersucher erfolgt.

CO2-senkende Beatmung

Die Patienten wurden in eine Kontrollgruppe (optimierte Standard-COPD-Behandlung, n=93) und eine Interventionsgruppe (n=102) randomisiert. Die Intervention bestand aus der NPPV-Anwendung für mindestens sechs Stunden pro Tag, wobei die Beatmung vorzugsweise nachts durchgeführt wurde. Die NPPV erfolgte gemäß der nationalen Leitlinien. Die Ventilation erfolgte druckunterstützt (PSV-Modus), bevorzugt mit hoher Backup-Frequenz. Als Ziel der Intervention wurde eine Reduzierung des PaCO2 um mind. 20% oder ein PaCO2 unter 6,5 kPa (48,1 mmHg) angestrebt. Das Follow-up erfolgte über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr.

Mortalitätsrisiko um 76% reduziert

Die Beatmungszeit lag im Durchschnitt bei 5,9 Stunden proTag. Dass die Beatmung effektiv war, zeigte sich an einer signifikanten Verbesserung von PaCO2, pH, SaO2, HCO3- und FEV1 bei den NPPV-Patienten.
Innerhalb des ersten Jahres war das Mortalitätsrisiko in der NPPV-Gruppe im Vergleich zur Standard-Behandlung um 76% reduziert (Hazard Ratio HR 0,24; 95% KI 0,11-0,49; p=0,0004; siehe Abb.1). Das entsprach einer Einjahresmortalität in der NPPV-Gruppe von 12% (vs. 33% in der Standard-Gruppe). Auch nach einem Jahr war der Überlebensvorteil signifikant (p=0,0023). 44% der Beatmeten erreichten eine klinisch relevante Verbesserung im 6-Minuten- Gehtest um 25% gegenüber der Kontrollgruppe.
Die „allgemeine Gesundheitswahrnehmung“ (eine Domäne des SF-36-Lebensqualitätsindex) verbesserte sich bei NPPV-Patienten signifikant mehr als ohne Beatmung (p=0,0133; der Gesamt- SF-36 zeigte keinen signifikanten Unterschied). Der speziell pulmonale Probleme evaluierende SGRQ (St George’s Respiratory Questionnaire) verbesserte sich ebenfalls unter NPPV signifikant im Vergleich zur nicht beatmeten Kontrollgruppe.
Die einzige berichtete Nebenwirkung der NPPV „Gesichtsrötung“ trat bei 14% der beatmeten Patienten auf und konnte stets durch einen Maskenwechsel beseitigt werden.
Fazit: Eine nichtinvasive Überdruckbeatmung senkt bei COPD-Patienten die Gesamtmortalität signifikant. Voraussetzung ist, dass diese bei hyperkapnischen Patienten effektiv, also CO2-senkend, eingesetzt wird. CB
Key Messages
  • Bei stabilen, hyperkapnischen COPD-Patienten führt eine – meist nächtliche – nichtinvasive Beatmung (NPPV) zu einer deutlichen Reduktion der Mortalität.
  • Die NPPV führt zu einer Besserung der Lebensqualität.
  • Eine Überweisung in spezialisierte Kliniken ist bei entsprechenden Blutgasen indiziert.
Quelle:

Köhnlein T et al.: Non-invasive positive pressure ventilation for the treatment of severe stable chronic obstructive pulmonary disease: a prospective, multicentre, randomised, controlled clinical trial. Lancet Respir Med 2014; 2(9): 698-705

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