Missbrauch in der Kindheit

Praxis-Depesche 2/2001

Sind psychiatrische Erkrankungen programmiert?

Inwieweit physischer und sexueller Missbrauch während der Kindheit beim Erwachsenen die Entwicklung von Stimmungs- und Angststörungen fördert, wurde in einer prospektiven Studie untersucht.

Das Corticotropin-Releasing-Factor-System stellt die Verbindung zwischen negativen Stress-Erlebnissen in der Kindheit und der Entwicklung von Stimmungs- und Angststörungen im Erwachsenenalter dar. Begründet wird dieser Vermutung dadurch, dass CRF-Neuronen nicht nur im Hypothalamus, sondern auch im Neokortex und im Nucleus centralis corporis amygdaloidei gefunden werden. Beide Strukturen sind in kognitive und emotionale Prozesse involviert. In eine kontrollierte prospektive Studie zu dieser Problematik wurden 49 Frauen im Alter zwischen 18 und 45 Jahren mit einer negativen Anamnese hinsichtlich Manie, Psychose, Drogenmissbrauch oder Essstörungen aufgenommen. Sie wurden in vier Studiengruppen eingeteilt: Major Depression und sexueller oder körperlicher Missbrauch in der Kindheit (n = 13), keine Major Depression, jedoch mit sexuellem oder körperlichem Missbrauch in der Kindheit (n = 14), Major Depression, aber kein Missbrauch als Kind (n = 10). Als Kontrollen dienten gesunde Frauen, die weder an einer psychiatrischen Störung litten, noch als Kind missbraucht worden waren (n = 12). In allen vier Gruppen wurden nach Setzen eines standardisierten Stresses die Konzentrationen des adrenokortikotropen Hormons (ACTH) und des Kortisols sowie die Herzfrequenz bestimmt. Frauen, die als Kind missbraucht worden waren, zeigten im Vergleich zu den Kontrollen eine deutliche stärkere Stressreaktion des autonomen Nervensystems sowie der Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse. Diese Reaktion war bei Frauen mit bestehenden Symptomen einer Major Depression oder Angststörung besonders stark ausgeprägt. Die Hyperaktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und des autonomen Nervensystems, die vermutlich für die CRH-Hypersekretion verantwortlich ist, resultiert wahrscheinlich aus dem Missbrauch im Kindesalter; sie trägt zur Entwicklung psychiatrischer Erkrankungen bei.

Quelle: Heim, C: Pituitary-adrenal and autoniomic responses to stress in women after sexual and physical abuse in childhood, Zeitschrift: JOURNAL OF THE AMERICAN MEDICAL INFORMATICS ASSOCIATION, Ausgabe 284 (2000), Seiten: 592-597

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x