Psyche

Praxis-Depesche 11/2020

Stress, der auf die Haut schlägt

Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Stress, zahlreichen Neuropeptiden und Neurokininen, Entzündungsmediatoren und Hautzellen, können zur Entstehung einer chronischen Urtikaria (CU) führen. Eine aktuelle Studie prüfte den Zusammenhang zwischen CU und neuroimmuner Entzündung mit und ohne bestehender psychischer Belastung.
Die Praxis zeigt, dass ein signifikanter Anteil der Patienten mit chronisch spontaner oder idiopathischer Urtikaria (CSU/CU) in der Zeit vor dem Auftreten und ersten Symptomen von Urtikaria einer großen Stressbelastung ausgesetzt waren. Stress tritt auf, wenn die Homöostase durch interne oder externe Stressoren negativ beeinflusst wird. Dabei sind pathophysiologisch neuroendokrine Hormone beteiligt. Nicht notwendige Hoch- oder Herunterregulierungen dieses Systems kann ein homöostatisches Ungleichgewicht verursachen. Die Haut hat dabei zwei Rollen: Sie nimmt Stress wahr, fungiert aber auch als Ziel für Stressreaktionen. Neue Forschungen zeigten, dass die Haut aktiv an Stressreaktionen durch eine lokale Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren- Achse (HPA), periphere Nervenenden und Zellen des Immunsystems einschließlich Keratinozyten, Mastzellen und T-Zellen, beteiligt ist. Präinflammatorische und proinflammatorische Zytokine und entzündliche neurogene Stoffwechselwege spielen dabei bedeutende Rollen. Mehrere frühere Studien deuteten auf die Rolle von Stress bei CU hin. Dabei erhöhen chronische Hauterkrankungen die psychische Belastung, während chronischer Stress zeitgleich auch ein CU-Trigger sein kann. In einer kürzlich durchgeführten Metaanalyse wurde die Gesamtprävalenz aller psychopathologischen Zustände bei Patienten mit CU auf 31,6 % geschätzt. Die Behandlung mit Antidepressiva hat sich dabei als vorteilhaft erwiesen.
In einer aktuellen systematischen Überprüfung wurden 674 Artikel identifiziert, wovon 13 die vordefinierten Einschlusskriterien erfüllten. Fünf dieser Studien bewerteten die Korrelation zwischen CSU/CU, Stress und neuroimmunen Hautreaktionen, während die restlichen acht Studien sich auf diese Faktoren ohne Anzeichen von Stress konzentrierten. Nach aktuellem Kenntnisstand liegt die zugrundeliegende Pathophysiologie für CU in der Degranulation von Histamin und anderen Entzündungsmediatoren in der Haut durch Mastzellen und Basophilen. Eine regelmäßige Einnahme von regulären oder sogar höheren (bis zu vierfachen) H1-Antihistaminika- Dosen sind zur Behandlung wirksam. Als weitere Option steht Omalizumab bei refraktären Patienten zur Verfügung. Noch ist unklar, ob psychischer Stress bei einer vorhandenen neuroimmunen Dysregulation zur Entstehung von CSU/CU führt oder diese auslöst. DM
Quelle: Konstantinou GN et al.: Psychological stress and chronic urticaria: a neuroimmuno-cutaneous crosstalk ... Clin Ther 2020; 42(5): 771-82
ICD-Codes: L50.8

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