Neue Leitlinienempfehlung bei Aortenklappenstenose

Praxis-Depesche 12/2017

TAVI jetzt auch für Patienten mit mittlerem Operationsrisiko empfohlen

Meistens ist eine Aortenklappenstenose (kurz „Aortenstenose“ oder AS) durch Kalzifizierungen bedingt – also eine „ Alterserscheinung“. Die AS stellt generell die häufigste Herzklappenerkrankung dar und betrifft etwa 2 bis 7% aller Menschen über 65 Jahre.1 Bei zunehmendem Durchschnittsalter der Bevölkerung kann man davon ausgehen, dass die Inzidenz der AS in den kommenden Jahren weiter ansteigen wird. Die Erkrankung geht mit schwerwiegenden Konsequenzen für die betroffenen Patienten einher: Unbehandelt weist sie eine hohe Morbidität und Mortalität auf. Deshalb ist es für die Betroffenen wichtig, rechtzeitig diagnostiziert zu werden, wobei sich die initiale Symptomatik häufig unspezifisch darstellt. Für alle behandelnden Ärzte ist es daher wichtig, bei jeglichem Verdacht auf einen Herzklappenfehler an die Auskultation zu denken. Denn mit der Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) steht nun bereits seit einigen Jahren ein minimalinvasives Therapieverfahren zur Verfügung. Stellte TAVI bislang eine Option für symptomatische AS-Patienten dar, die für eine Operation am offenen Herzen nicht infrage kamen und ein hohes Operationsrisiko aufwiesen, wurde nun aufgrund von neuen, überzeugenden Studienergebnissen die Leitlinie der ESC/EACTS (European Society of Cardiology, European Association for Cardio-Thoracic Surgery) überarbeitet: In der neuesten Version der Leitlinie zum Management von Herzklappenerkrankungen wird TAVI nun auch für AS-Patienten mit mittlerem Operationsrisiko empfohlen.2 Zudem empfiehlt die neue Leitlinie explizit die Behandlung in Zentren, die über eine kardiologische und herzchirurgische Abteilung verfügen, durch spezialisierte Herz-Teams.

SAVR, also die offene Aortenklappenersatzoperation (surgical aortic valve replacement) wird für Patienten mit niedrigem chirurgischen Risiko empfohlen. TAVI wird für die Patienten empfohlen, die für SAVR nicht geeignet sind. So lauten die zentralen neuen Klasse-IB-Empfehlungen der ESC/EACTS-Leitlinie 2017. Dementsprechend wird der TAVI-Eingriff nun für die Patienten als geeignet angesehen, die eine schwere, symptomatische AS und ein hohes oder mittleres OP-Risiko aufweisen. Das OP-Risiko wird hierbei definiert durch den STS-Score (Society of Thoracic Surgeons) bzw. EuroSCORE II.
 
Auch bei mittlerem Risiko der offenen Chirurgie ebenbürtig
 
Hintergrund der Entscheidung der ESC und EACTS, die Leitlinie zur AS anzupassen, waren u. a. die Ergebnisse der Partner-II-A-Studie. Hier wurden 2032 Mittelrisiko-Patienten mit AS zwischen 2011 und 2013 in 57 Zentren randomisiert entweder mit TAVI (SAPIEN XT von Edwards) oder chirurgisch behandelt.3 Bezüglich des primären Endpunktes „Gesamtmortalität oder schwerer Apoplex“ zeigte sich in der ITT-Auswertung kein signifikanter Unterschied im Sinne einer Nicht-Unterlegenheit zwischen TAVI und SAVR: Nach zwei Jahren lagen die Ereignisraten bei 19,3% für TAVI und 21,1% in der Chirurgie-Gruppe (p=0,001 für Nicht-Unterlegenheit). Dabei kam es mit TAVI zu signifikant weniger lebensbedrohlichen Blutungen (17,3 vs. 47,0%; p<0,001).
Bei der TAVI wird die künstliche Aortenklappe entweder transfemoral oder transapikal eingebracht und über ein Kathetersystem im Herzen platziert und fixiert. Das transfemorale Vorgehen entwickelt sich hierbei zusehends zum Standardzugang. Daher ist insbesondere die Subgruppenauswertung der Partner-IIA-Studie interessant, in der ausschließlich transfemoral behandelte Patienten analysiert wurden. Man sah, dass sich bei transfemoraler Verwendung der SAPIEN-XT-Klappe die Gesamtmortalität oder Rate schwerer Schlaganfälle sogar signifikant im Vergleich zur offenen OP reduzierte (Hazard ratio 0,79; p=0,05; entspricht einer 21%igen Risikoreduktion, siehe Abb. 1).
 
Und bei niedrigem OP-Risiko?
 
„Nun liegt es nur noch an den nationalen Leitlinienkomitees, die Indikationserweiterung der TAVI von Patienten mit schwerer, symptomatischer Aortenklappenstenose und hohem OP-Risiko hin zu Patienten mit mittlerem operativ bedingtem Risiko umzusetzen,“ erläuterte Prof. Bernard Prendergast, London.
Ein Experten-Panel veröffentlichte aufgund der Daten für TAVI bereits 2016 im renommierten British Medical Journal (BMJ) eine Praxis-Leitlinie mit einer Aussage zu TAVI, die sogar noch einen Schritt weiter geht als die aktuelle ESC/EACTS-Empfehlung: „Es gibt eine neue Studien-Evidenz, die bestätigt, dass TAVI ( ursprünglich für Patienten entwickelt, für die ein offener chirurgischer Eingriff zu riskant ist) auch Patienten angeboten werden kann, die ein niedriges oder mittleres Operationsrisiko aufweisen.“ 4 CB

 

Literatur [1] Spaccarotella C et at., Circ J 2011; 75: 11-9; [2] Baumgartner H et al., Eur Heart J 2017; 38: 2739-86; [3] Leon MB et al., N Engl J Med 2016; 374: 1609-20; [4] Vandvik PO et al., BMJ 2016; 354: i5085
Mit freundlicher Unterstützung der Edwards Lifesciences Services GmbH, Unterschleißheim

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