4th European Annual Congress of Rheumatology, Lissabon, Juni 2003

Praxis-Depesche 15/2003

Therapie rheumatischer Erkrankungen: wann? wen? wie?

Eine Verringerung der Morbidität an Leiden wie rheumatoider Arthritis oder Arthrose erhofft man sich von früher Diagnose und Therapie, hieß es auf dem Europäischen Rheumatologie-Kongress (EULAR 2003), an dem dieses Mal eine Rekordzahl von über 9000 Medizinern und sonstigen Interessierten teilnahm.

Als eines der wichtigsten Ziele bezeichnete Kongresspräsident Prof. Joachim Kalden, Nürnberg, die rasche Diagnose der rA als Voraussetzung für eine frühzeitige, aggressive Therapie. Sie soll die Induktion lang anhaltender Remissionen ermöglichen. Prof. Paul Emery, Leeds, forderte den Einsatz von Basistherapeutika wenn bei rA seit drei Monaten Beschwerden persistieren. Studien lieferten bereits gute Hinweise dafür, dass derart frühe Behandlung effektiv ist, sodass das Vorgehen in Leitlinien verankert werden sollte. Bereits einmalige Steroidgabe innerhalb von zwölf Wochen nach Diagnosestellung kann laut Emery bei mehr als der Hälfte aller Patienten mit rA Remissionen einleiten. Wirkprinzip TNF alpha-Neutralisation Von diesem heute etablierten Prinzip profitieren etwa zwei Drittel der Betroffenen. Auch bei Psoriasis-Arthritis, juveniler rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew werden TNF alpha-Blocker mittlerweile erfolgreich eingesetzt. Umfangreiche Daten zur Wirksamkeit von Etanercept lieferte eine von Prof. J. C. Davis, San Francisco, vorgestellte Studie an 277 Bechterew-Patienten. Knapp 60% der Verumgruppe sprachen auf die 24-wöchige Therapie mit einem Rückgang von Schmerzen, Krankheitsaktivität und Entzündungsparametern sowie globaler und Funktionsverbesserung an - gegenüber nur 27% unter Plazebo. Die Ergebnisse bestätigt eine Studie an 84 Bechterew-Patienten. Laut Prof. Andrei Calin, Bath, wurden mit einer Ansprechrate nach zwölf Wochen von 60% unter Etanercept und 23% unter Plazebo nahezu identische Ergebnisse erreicht. Rasche Besserung in den ersten zwei Wochen sprach für schnellen Wirkeintritt. Patientenauswahl mitentscheidend TNF alpha-Blocker sind kostspielig. Dr. Robert Landewé, Maastricht, und Mitarbeiter untersuchten in zwei Studien, welche Bechterew-Patienten von Rheumatologen am ehesten mit ihnen behandelt würden. In der ersten Studie bewerteten die 19 befragten Ärzte rasche Abnahme der funktionellen Leistungsfähigkeit, hohe Krankheitsaktivität, d. h. starke Schmerzen und Steifigkeit, sowie radiologisch nachweisbare Schäden und körperliche Leistungsminderung als wichtigste Kriterien für den Therapieentscheid. In der zweiten Studie wurden neun Bechterew-Patienten behandelnde Rheumatologen befragt. Sie klassifizierten 30% ihrer Patienten als Kandidaten für eine TNF alpha-Blockade. Wichtig waren für sie männliches Geschlecht, schlechte körperliche Funktion und radiologische Läsionen, jedoch nicht die Krankheitsaktivität. Von der ASAS (Assessment in Ankylosing Spondylitis) Working) Group wurde Anfang diesen Jahres ein Konsensus-Papier zum klinischen Einsatz von TNF alpha-Blockern in der täglichen Praxis vorgestellt. Danach sind die Substanzen indiziert bei Patienten mit seit mindestens vier Wochen aktiver Erkrankung, die seit mindestens drei Monaten therapierefraktär sind und auf zwei nichtsteroidale Antirheumatika nicht angesprochen haben. Kontraindiziert sind TNF alpha-Blocker laut Konsensus bei schwangeren und stillenden Frauen, hohem Infektionsrisiko, Vorhandensein von malignen oder prämalignen Veränderungen und systemischem Lupus erythematodes oder multipler Sklerose. Große Studie zum SLE Die Euro Lupus Project Group beobachtet eine Kohorte von 1000 Patienten aus verschiedenen europäischen Ländern seit 1991. Wie Dr. Richard Cervera, Barcelona, berichtete, war die Häufigkeit der meisten Lupus-Manifestationen in dieser Zeit niedriger als vor Studienbeginn. So lag z. B. die Rate aktiver Lupus-Nephropathien bei 22%, die kumulative Prävalenz in den Jahren vorher bei 39%. Dies ist vermutlich auf den Behandlungseffekt und die gute Versorgung im Rahmen der Studie zurückzuführen. Infektionen, Hypertonie, Osteoporose und medikamenteninduzierte Zytopenien waren die häufigsten mit dem Lupus assoziierten Probleme im Studienverlauf. Ihre Inzidenz war teilweise deutlich höher als die der meisten Lupus-Manifestationen, was laut Cervera die Bedeutung einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung in der Therapie unterstreicht. Maligne Tumoren wurden nur bei wenigen Betroffenen dokumentiert, am häufigsten Uterus- und Mammakarzinome. Bislang ist laut Cervera nicht eindeutig belegt, dass Neoplasien bei Lupus gehäuft auftreten. Bessere Prognose in Europa Die Fünfjahres-Überlebensrate in der europäischen Kohortenstudie betrug 95%, (Zehnjahres-Rate 92%). Sie lag Mitte der fünfziger Jahre unter 50%. Die aktuellen Zahlen der europäischen Kohortenstudie übertreffen auch die Angaben aus amerikanischen Studien, was Cervera auf das homogenere Gesundheitssystem in Europa zurückführte. Wichtige Faktoren für die mittlerweile bessere Prognose von Lupus-Patienten sind seiner Meinung nach frühere Diagnose, restriktiverer Einsatz von Kortikoiden und modifizierte immunsuppressive Therapieregime. Insgesamt lässt sich nur etwa ein Drittel der Todesfälle durch einen aktiven SLE erklären. Wichtige Todesursachen sind vielmehr therapiebedingte Komplikationen und weitere Lupus-bedingte Manifestationen, z. B. thrombotische Ereignisse aufgrund eines Antiphospholipid-Syndroms, die für mehr als ein Viertel aller Todesfälle in der europäischen Studie verantwortlich waren.

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