GTH-Kongress

Praxis-Depesche 3/2019

Therapiefortschritte durch monoklonale Antikörper und DOAK

Auf der 63. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung in Berlin wurden aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema Blutgerinnungsstörungen und Thrombosen präsentiert.

Hämophilie
 
Hämophilie A tritt statistisch bei einem bis zwei von 10.000 männlichen Neugeborenen auf. Behandelt wird die Erkrankung in schweren Fällen durch die prophylaktische Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors VIII. Doch bei etwa 30 % der Patienten reagiert das Immunsystem mit der Bildung von Antikörpern gegen das Faktorpräparat.
Als Alternative zur bisher notwendigen aufwändigen Immuntoleranzinduktion steht für diese Fälle seit gut einem Jahr der monoklonale Antikörper Emicizumab zur Verfügung: Er verbindet die Gerinnungsfaktoren IXa und X und ersetzt so die Funktion von Faktor VIII. Prof. Johannes Oldenburg, Bonn, stellte die Ergebnisse der HAVEN-3-Studie vor: Sie belegen die Wirksamkeit und Sicherheit der Emicizumab-Prophylaxe auch bei Patienten ohne Inhibitoren. Im Vergleich zu Placebo konnten die Blutungsraten um mehr als 94 % reduziert werden. Dabei erwies sich die 14-tägige Gabe als gleichwertig zur bisher üblichen wöchentlichen s.c.-Administration. In einer Subgruppe von Patienten, die zuvor eine Prophylaxe mit Faktor VIII erhalten hatten, zeigte sich gegenüber der Vorbehandlung eine 68 %-ige Reduktion der Rate an behandelten Blutungen.
Dr. Katharina Holstein, Hamburg, wies auf die hohe Prävalenz einer reduzierten Knochendichte bei Hämophilie-Patienten hin: DXA-Messungen bei 75 Studienteilnehmern in Norddeutschland (mittleres Alter 33 Jahre) ergaben bei knapp der Hälfte eine Osteopenie, bei 16 % Osteoporose. Als Risikofaktoren identifizierte die Arbeitsgruppe eine vorherige Inhibitorbildung sowie einen schlechteren Gelenkstatus. Wie eine weitere Studie ergab, führen aber trotz des erhöhten Risikos nur zwei von 15 befragten deutschen Hämophiliezentren bei Patienten über 45 Jahren ein generelles Osteoporose-Screening durch, kritisierte Dr. Georg Goldmann, Bonn.
 
Thrombotische Erkrankungen
 
In der Therapie von thrombotischen Erkrankungen gewinnen die neuen direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) zunehmend an Bedeutung. Dass sie auch bei Patienten über 80 Jahren langfristig mit einem geringen Komplikationsrisiko verbunden sind, belegt eine Subgruppenanalyse von 935 TeilnehmerInnen des Dresdner DOAK-Registers: Während des Follow-up von durchschnittlich fast drei Jahren kam es pro 100 Patientenjahre zu nur einer schweren Blutungskomplikation (Schlaganfall, TIA oder systemische Embolie), berichtete Dr. Jan Beyer-Westendorf, Dresden. In der gleichen Studie wurden auch 23 Jugendliche mit einer venösen Thromboembolie (VTE) off-label mit Rivaroxaban behandelt.
Wie Prof. Ulrich Sachs, Gießen, betonte, sollte das Präparat in der Adoleszenz aber nur eingesetzt werden, wenn die Behandlung mit niedrigmolekularem Heparin oder Vitamin-K-Antagonisten (VKA) nicht praktikabel ist: Mit 35 Fällen in vier Jahren traten relativ häufig Blutungskomplikationen auf, die sich allerdings hauptsächlich in Hypermenorrhoe, Zahnfleisch-oder Nasenbluten äußerten.
Bei Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom erwiesen sich DOAK in einer Studie derselben Arbeitsgruppe als gleichwertig zur Standardtherapie mit VKA. Die Rate der thromboembolischen Ereignisse betrug 2,6 % versus 5,7 % unter der Standardtherapie. Nicht ausgeschlossen werden kann nach Aussage von Sachs allerdings, ob für Patienten mit triple-positiven Antiphospholipid-Antikörpern unter NOAC möglicherweise das Thromboembolierisiko steigt – hierfür waren die Fallzahlen in dieser Subgruppe zu gering.
Mit dem VTE-Risiko nach großflächigen Brandverletzungen beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe um Dr. Vitaly Borisov, Moskau. Von 55 Patienten mit schweren Verbrennungen entwickelten 19 eine tiefe Beinvenenthrombose. Rheologische Analysen offenbarten in dieser Gruppe zuvor einen signifikant stärkeren Rückgang der Blutviskosität und eine geringere Erythrozytenaggregation. Zur Prävention einer VTE erwies sich in einer zweiten Kohorte der Dabigatranetexilat (off-label, 2 x 110 mg/Tag) als effektiv: Von 30 Patienten mit Verbrennungen von über 20 % der Hautoberfläche entwickelten unter der DOAK-Prophylaxe drei eine VTE, die aber laut Borisov aufgrund ihres höheren Alters und der besonderen Schwere der Verletzung ein extrem hohes Risiko trugen.
Das Rezidivrisiko einer VTE nach Ende der Antikoagulation evaluierte eine Arbeitsgruppe um Dr. Hanna Christina Puhr, Wien. Im Schnitt fünf Jahre nach einem Thromboseereignis ohne erkennbaren Auslöser kam es bei 312 von 1.188 Patienten erneut zu einer VTE. In 42 Fällen wurde diese durch einen chirurgischen Eingriff, ein Trauma oder andere Risikofaktoren provoziert. Die meisten Patienten hatten zu diesem Zeitpunkt keine Thromboseprophylaxe erhalten. Puhr sah deshalb dringenden Optimierungsbedarf für das Management von Risikosituationen nach einer früheren unprovozierten VTE. CW

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