Der Chef der Audiologie am Addenbrooke’s Hospital, Universität Cambridge, ein Spezialist für
HNO-Chirurgie, Universität Colchester, und die Direktorin der Nottingham Hearing Biomedical Research Unit, National Institute for Health Research, haben sich der schwierigen Aufgabe gestellt, alles Wesentliche zu Tinnitus zusammenzufassen.
Trotz vieler Fortschritte bleibt Tinnitus ein wissenschaftliches und klinisches Rätsel. Er ist sehr häufig und plagt viele Menschen nicht über Gebühr, doch andere finden ihn lebensverändernd. Die Prävalenz bei Erwachsenen in einer englischen Studie betrug 10,1%; schwer störend bzw. so stark, dass er die Fähigkeit, normal zu leben, schwer beeinträchtigte, war er in 1,6 bzw. 0,5%.
Hauptrisikofaktor (siehe Kasten)ist Hörverlust, doch kann das Gehör auch normal sein. Zu den Substanzen, die Tinnitus triggern können, zählen Salizylate, Chinin, Aminoglykosid-Antibiotika und einige Chemotherapeutika, besonders auf Platin-Basis. Es gibt mehrere Komorbiditäten, v. a. Angst, Depression und Dysfunktion des Kiefergelenks. Hyperakusis, stärker oder schwächer, findet sich bei 40% der Betroffenen; bis zu 86% der Patienten mit Hyperakusis geben auch Tinnitus an. Langzeitstudien sind rar. In einer Kohorte bestand eher eine Tendenz zur Besserung als zur Verschlechterung des Tinnitus.
In puncto Pathophysiologie erscheint vieles möglich. Oft werden die Phantomsensationen im Ohr als neuroplastische Response auf eine sensorische Deprivation angesehen. Einen objektiven Test für Tinnitus gibt es meist nicht. Diagnostiziert wird anhand von Anamnese und Beurteilung der Wirkung auf den Patienten und seine Familie. Wichtige Fragen betreffen Lokalisation und Qualität, v. a. Rhythmik oder Pulsieren (selten bei Auskultation hörbar), sowie die Tinnitus-Folgen inkl. solche für Schlaf und Konzentration (es gibt Fragebögen). Eine Reinton-Audiometrie ist angebracht. Da viele Patienten das Gefühl haben, die Ohren seien blockiert, kann eine Tympanometrie* sinnvoll sein. Asymmetrischer Tinnitus, asymmetrischer Audiometriebefund oder andere assoziierte neurologische Symptome oder Zeichen müssen weiter untersucht werden; i. d. R. wird MRT gewählt. Ein komplexerer Algorithmus für Patienten mit Puls-synchronem Tinnitus kann Sonographie, CT, MRT, CT-, MRT- oder konventionelle Angiographie enthalten.
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