Kongressbericht

Praxis-Depesche 3/2022

Translation in die Klinik: Vom Herzpflaster zum kardialen Narben-MRT

„Visionen in der Kardiologie“, wie im Programmheft der Dresdner Herz- Kreislauf-Tage angekündigt, waren die vorgestellten diagnostischen und therapeutischen Neuerungen streng genommen nicht mehr: Das aus Stammzellen hergestellte „Herzpflaster“ wird bereits am Menschen getestet und das „Narben-MRT“ zur Beurteilung des arrhythmogenen Risikos ist ebenfalls auf dem Weg in die Praxis.
Die Progression einer Herzmuskelschwäche kann bisher lediglich anhand medikamentöser Therapien aufgehalten werden – eine Remuskularisierung und damit eine Remission sind nicht möglich. Durch die Implantantion von künstlichem Myokardgewebe („Engineered Heart Muscle“, EHM), wie es aktuell von einem Forschungsteam um Prof. Wolfram-Hubertus Zimmermann von der Universitätsmedizin Göttingen entwickelt wird, soll der Prozess des Herzmuskelabbaus zukünftig umkehrbar gemacht werden. Hergestellt wird das „Herzpflaster“ aus induzierten pluripotenten Stammzellen, welche aus somatischen Zellen gewonnen werden (z. B. Blut, Urin). Durch Einbringen sogenannter Yamanaka-Faktoren werden die Körperzellen in den Zustand embryonaler Stammzellen zurückgeführt und schließlich in Myokard- sowie Bindegewebszellen des Herzens umgewandelt. Zusammen mit Kollagen werden die Zellen in zirkuläre Gussformen gefüllt und im Labor zur gewünschten geometrischen Form kultiviert.
Nach über 20 Jahren Grundlagenforschung erfolgte im Jahr 2020 schließlich die weltweit erste Zulassung für die klinische Prüfung von künstlichem Herzgewebe bei Patienten mit Herzschwäche. Entscheidend für diesen Schritt waren vor allem die Testungen an Rhesusaffen mit Herzinsuffizienz, bei denen die Verbesserung der kardialen Funktion nach Anbringen des EHM-Patches bestätigt werden konnte.
Seit Anfang 2021 läuft nun an den Universitätskliniken Göttingen, Lübeck und Bad Oeynhausen die Phase-1/2-Studie BioVAT-HF-DZHK20 zur Prüfung am Menschen. Eingeschlossen sind etwa 50 Patient: innen, die trotz optimierter Therapie eine Herzmuskelschwäche im Stadium NYHA III/IV aufweisen. Der erste Studienteil zur Dosisfindung (= Anzahl der implantierten EHM-Patches) soll im dritten Quartal dieses Jahres abgeschlossen werden. Anschließend soll die Wirksamkeitsprüfung folgen.
 
Vorhofflimmern möglichst früh erkennen – nur wie?
In Deutschland sind jährlich etwa 1,8 Millionen Menschen von Vorhofflimmern (VHF) betroffen, was das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko erheblich steigert. Von einer Katheterablation profitieren dabei nicht nur Herzinsuffizienz-Patient: innen mit VHF. Wie neuere Studien gezeigt haben, bietet sie auch im Gesamtkollektiv der Personen mit VHF einen prognostischen Vorteil – vor allem, wenn die Rhythmusstabilisierung früh nach der Diagnose erfolgt.
„Wie sich die Früherkennung des VHF verbessern lässt, wird uns deshalb in den nächsten Jahren besonders beschäftigen“, erklärte Prof. Thomas Deneke, Chefarzt an der Herz- und Gefäß-Klinik Bad Neustadt an der Saale. Neben mobilen e-Health-Systemen wie der Apple-Watch, die von den Leitlinien gezielt für die VHF-Diagnostik empfohlen wird, werden große Hoffnungen in die künstliche Intelligenz (KI) gesetzt: Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der US-amerikanischen Mayo-Klinik machten es sich zunutze, dass das Sinusrhythmus- EKG bestimmte Signaturen aufweist, die auf ein erhöhtes VHF-Risiko hindeuten. Diese Signaturen evaluierten die Forschenden mittels KI und entwickelten daraus einen Algorithmus zur Risikostratifikation. Anhand der Screening-Methode lassen sich Personen mit und ohne VHF mit einer Sensitivität und Spezifität von jeweils 79 % unterscheiden (Attia ZI et al., Lancet 2019). „Offen bleibt aber, wie die identifizierten Hochrisiko-Patient:innen vor Komplikationen geschützt werden können, ohne sie zu übertherapieren“, so Deneke.
Eine weitere vielversprechende Option zur Beurteilung des arrhythmogenen Risikos ist das sogenannte Narben-MRT. „Wir können anhand des MRT Narbenzonen am Herzen identifizieren, die ein Risiko für Rhythmusstörungen bergen“, erklärte Deneke. Anhand von Modellberechnungen lässt sich zudem vorhersagen, welche spezifischen Veränderungen am Myokard notwendig sind, um mittels Katheterablation eine arrhythmogene in eine nichtarrhythmogene Narbe zu überführen.
Im „Übermorgen der Rhythmologie“ könnte dann sogar die invasive Katheterablation bei Vorhofflimmern obsolet werden, hofft Deneke – etwa analog zur Photonenbestrahlung in der Therapie ventrikulärer Tachykardien (van der Ree MH et al., Heart Rhythm 2020).

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