PraxisDepesche Kongress-Bericht

Praxis-Depesche 5/2021

Typ-2-Diabetes: Organprotektion wichtiger als HbA1c-Senkung

Laut Gesundheitsbericht 2021 der Deutschen Diabetes Gesellschaft wird auch in Zukunft mit einem Anstieg der Diabetesprävalenz gerechnet. Der Einsatz moderner Therapieoptionen mit SGLT-2-Inhibitoren oder GLP-1-Rezeptoragonisten wird aufgrund überzeugender Studienergebnisse international empfohlen.
Der Vergleich der kardiovaskulären Outcome- Studien zu SGLT-2-Inhibitoren dokumentiert eindrückliche Vorteile für kardiovaskuläre und renale Endpunkte bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, berichtete Prof. Thomas Forst, Andernach, auf einem Online-Symposium zum Thema Risikomanagement bei Typ-2-Diabetes. So zeigen Post-Hoc-Analysen der „EMPA-REG“- Studie, dass der Vorteil von Empagliflozin bezüglich der Risikoreduktion von Hospitalisierung von Herzinsuffizienz und kardiovaskulärem Tod bereits innerhalb weniger Wochen nach Behandlungsbeginn ersichtlich werde. Eine neu auftretende oder sich verschlechternde Nephropathie fand sich in 525 von 4.124 Patient:innen in der Empagliflozin-Gruppe und in 388 von 2.061 mit Placebo behandelten Patient:innen (12,7 % vs. 18,8 %). Auch das Risiko für eine Verdopplung des Serumkreatinins wurde statistisch signifikant von 2,6 % auf 1,5 % gesenkt, was einer relativen Risikoreduktion von 44 % entspricht. Die Einleitung einer Nierenersatzbehandlung erfolgte in 0,3 % der mit Empagliflozin und 0,6 % der mit Placebo behandelten Patient:innen (relative Risikoreduktion 55 %). Die Verträglichkeit von Empagliflozin bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion war ähnlich gut wie in der Gesamtpopulation. Die sog. „DAPA-CKD“-Studie, die erste renale Outcome-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit eines SGLT-2-Inhibitors bei Menschen mit chronischer Nierenerkrankung sowohl mit als auch ohne Typ- 2-Diabetes demonstrierte, dass die Behandlung mit dem SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin bei Patient:innen mit oder ohne Typ-2-Diabetes das Fortschreiten chronischer Nierenerkrankungen sowie Todesfälle signifikant reduziert. Nach 2,4 Jahren sei die Studie von der Ethikkommission wegen des überwältigenden Vorteils der Patienten in der Verumgruppe vorzeitig abgebrochen worden, so Forst. Selbst Patient:innen im oberen Bereich eines Stadiums 4 der chronischen Niereninsuffizienz (CKD) könnten für diese Behandlung infrage kommen: Von den 4.304 CKD-Patient:innen, die in die DAPA-CKDStudie aufgenommen worden waren, wiesen 624 (14 %) eine geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von 25 bis 29 ml/ min pro 1,73 m2 auf.
Prof. Juris J. Meier, Bochum, erinnerte an die LEADER-Studie, eine randomisierte Doppelblind-Studie mit 9.340 Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes mit erhöhtem Risiko für Herzerkrankungen. Liraglutid reduzierte hier das Risiko für kardiovaskulären Tod, nicht-tödlichen Myokardinfarkt oder nicht-tödlichen Schlaganfall im Vergleich zu Placebo signifikant um 13 %. Das Risiko für kardiovaskulären Tod konnte um 22 % gesenkt werden, für Gesamt-Mortalität um 15 %. Es wurde ein 22 % geringeres Risiko für eine neu auftretende Nierenerkrankung detektiert. „GLP-1-Rezeptoragonisten verbessern somit die Endothelfunktion und hemmen die Atherosklerose“, fasste Meier zusammen. „Zusätzlich wirken sie moderat diuretisch und hemmen die Inflammation.“ Prof. Stephan Jacob, Villingen, gab einen Überblick über die leitliniengerechte Therapie von Risikofaktoren. Vielfältige Studien belegen, dass das kardiorenale Risiko deutlich höher ist als das für Schlaganfall, Herzinfarkt oder pAVK. Auch das Risiko für die kardiovaskuläre oder Gesamtsterblichkeit war bei denjenigen, die ein kardiorenales Syndrom entwickelten, um ca. 3- bzw. 4-fach höher als bei Diabetikern ohne diese Komplikation. „Die Auswahl der Medikation sollte heutzutage primär dem End-Organ-Schutz dienen und nicht der HbA1c-Senkung“, davon ist Jacob überzeugt.
Eine Früherkennung von kardiovaskulärrenalen Komplikationen kann anhand einer regelmäßigen Testung mit Biomarkern wie eGFR (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate), (Mikro-)Albuminurie und NT-proBNP/BNP (N-terminales Fragment des Brain Natriuretic Peptide/Brain Natriuretic Peptide) durchgeführt werden. Die positiven Studiendaten für die SGLT- 2-Hemmer und GLP-1-Rezeptoragonisten zur Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse und der Verbesserung der renalen Parameter haben zu einem Paradigmenwechsel geführt: Die Organprotektion sei laut Jacob wichtiger als eine HbA1c-Reduktion. Eigentlich wisse man dies schon seit Publikation der STENO-2-Studie im Jahre 1993, in der eine intensivierte multifaktorielle Intervention gegenüber der konventionellen Therapie zu einer 50 %-igen Reduktion kardiovaskulärer Komplikationen führte, dies sei auch in der letzten Auswertung der mehr als 20-jährigen Nachbeobachtung von STENO-2 zu sehen. VW
Quelle: Symposium: Innere Medizin fachübergreifend. Risikomanagement des Typ 2 Diabetes mellitus: Kardiovaskuläre und renale Endpunkte – ein Update. Kongress Diabetologie grenzenlos, online, 26.2.2021

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