PraxisDepesche Kongress-Bericht

Praxis-Depesche 6/2021

Update Gastroenterologie – Ösophagus und Magen

Unter dem Leitthema „Von der Krise lernen“ fand in diesem Jahr der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) virtuell statt. Auf 16 Kanälen diskutierten über 9.000 Teilnehmer:innen in insgesamt 340 Sitzungen über aktuelle Erkenntnisse der Inneren Medizin. Einen ersten Eindruck über die Vorträge der Sektion „Gastroenterologie im BDI e. V.“ gewinnen Sie hier, Teil 2 folgt in der kommenden Ausgabe.
Volksseuche GERD (Gastroesophageal Reflux Disease)
Die PPI-refraktären Refluxbeschwerden galten früher als nicht existent, so Prof. Joachim Labenz, Siegen, der auf dem BDISymposium „Gastroenterologie 2021 – Neues und Obsoletes“ auch den Vorsitz innehatte. „Eine große Online-Umfrage aus 2020 mit mehr als 70.000 US-Amerikaner: innen zeigt jedoch etwas ganz anderes: Bei jeder zweiten Person, die täglich Protonenpumpenhemmer (PPI) einnimmt, halten die Symptome der GERD an.“ Auch exakte wissenschaftliche Studien zeigen die Grenzen von PPIs auf, beispielsweise bei Sodbrennen, bei der Behandlung der Regurgitation und insbesondere auch bei der Therapie atypischer Symptome einer GERD wie Husten, Laryngitis und Asthma, wo sie gering bis gar nicht wirksam sind.
Aktuelle Leitlinien empfehlen derzeit, dass Patient:innen mit typischen GERDSymptomen zunächst einen PPI versuchen sollten. Wenn die Refluxsymptome nach 8 Wochen unter einem PPI fortbestehen, sollte eine Endoskopie der Speiseröhre folgen, bei der Biopsien entnommen werden, um eine eosinophile Ösophagitis oder einen Barrett-Ösophagus auszuschließen. Ein ambulantes Refluxmonitoring mittels pH-Metrie der Speiseröhre kommt vor allem bei nicht erosiver GERD zum Einsatz. Eine ösophageale Manometrie ermöglicht es, durch Messung des Drucks sowohl die Funktion des unteren Ösophagussphinkters als auch die peristaltische Funktion der Speiseröhre abzuklären und vor Operationen eine Achalasie oder schwere Hypomotilität der Speiseröhre auszuschließen.
Weitere Themen des Vortrags von Labenz waren die Achalasie der Speiseröhre, die eosinophile Ösophagitis sowie das Reizmagensyndrom. Die Pathophysiologie des Reizmagens sei ausgesprochen komplex und bislang noch nicht gut verstanden. Eine evidenzbasierte Differenzialtherapie müsse immer an den Leitsymptomen (postprandiales Disstress- Syndrom oder epigastrisches Schmerzsyndrom) orientiert sein, bei einem Helicobacter-pylori-Keimnachweis müsse eine Eradikation stattfinden. In letzter Zeit habe man sich bei der Diagnostik des Reizmagens besonders auf duodenale Auffälligkeiten wie Eosinophilie und Inflammation/Immunreaktionen konzentriert. Hier wären PPI eine Option. Phytotherapeutika sowie Antidepressiva lohnen einen Therapieversuch. Obsolet sei eine Behandlung mit Prokinetika, die in Deutschland nur für die Kurzzeittherapie zur Verfügung stünden und deren Wirksamkeit begrenzt sei, so Labenz abschließend.
 
Dünn- und Dickdarm im Fokus
Prof. Robert Ehehalt, Heidelberg, gab einen kurzen Überblick über den Status Quo der Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED). „Die Therapie der CED ist mittlerweile komplex geworden, wichtig ist die große Gruppe der Biologika mit Infliximab, Adalimumab, Vedolizumab, Ustekinumab und Golimumab – sowie ein neu zugelassenes sog. ,New small Molecule’, das Tofacitinib.“ Derzeit werde die längst überfällige neue Leitlinie zu Morbus Crohn verfasst.
Auch zum Thema Reizdarm werde in Kürze eine neue Leitlinie publiziert. Die Definition der Leitsymptome Diarrhoe, Obstipation, Krämpfe/Schmerzen sowie Blähungen/Flatulenz sei gleich geblieben, neu in der Konsultationsfassung zu lesen sei, dass im Bereich Diagnostik die Themen Glutensensitivität und Histaminintoleranz aufgenommen wurden. Außerdem gebe es eine negative Empfehlung für wissenschaftlich nicht etablierte ImmunglobulinG(IgG)-basierte Tests für Nahrungsmittelunverträglichkeiten sowie eine Warnung vor unnötigen und problematischen Eliminationsdiäten.
„Auf die Ernährung wird aber künftig ein stärkerer Fokus gelegt – Stichwort Low- FODMAP-Diät“, so Ehehalt. Probiotika erhalten einen stärkeren Empfehlungsgrad als zuvor aufgrund aktualisierter Studienlage mit Wirksamkeitsnachweis. Für den Diarrhoetyp empfehlen die Leitlinien Colesevelam und Eluxadolin, eine stärkere Empfehlung bekommen die 5-HT3-Antagonisten. Bei Patient:innen mit dem Hauptsymptom Verstopfung erhielt Macrogol eine stärkere Empfehlung, positiv werden auch Prucaloprid und Linaclotid bewertet. „Stehen Schmerzen im Vordergrund, werden verstärkt Spasmolytika empfohlen – Pfefferminzöl als Therapieoption wird explizit erwähnt“, fasste Ehehalt die wichtigsten Neuerungen zum Reizdarm zusammen. FW

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