In erster Reihe helfen

Praxis-Depesche 1/2016

Versorgung Schutzsuchender in München

Während der sogenannten Flüchtlingskrise kamen im Jahr 2015 besonders viele Schutzsuchende am Münchner Hauptbahnhof an. Wie man der Lage und der notwendigen medizinischen Versorgung Herr wurde, berichteten Ärzte aus einer Kinderklinik, welche nahe des betroffenen Bahnhofs liegt, nun im New England Journal of Medicine.

An einzelnen Wochenenden im September 2015 kamen bis zu 20 000 Flüchtlinge am Münchener Hauptbahnhof an. Während der immense Flüchtlingsstrom in der Politik häufig eher theoretisch und mit Abstand diskutiert wird, stellten sich für die Helfer vor Ort ganz andere, pragmatische Fragen. Wie versorge ich den 14-jährigen Jungen mit 40 Zigarettenbrandwunden, die ihm in Folterabsicht beigebracht wurden? Was passiert mit dem Mädchen mit der unbehandelten Kieferfraktur?
Viele der Flüchtlingskinder erschienen den Ersthelfern traumatisiert, was sich auch daran zeigte, dass diese oft schnellstmöglich wieder aus medizinischen Einrichtungen flohen. Dehydrierung war bei Kindern generell ein häufiges Problem. Aber es gab auch auf der Flucht Frühgeborene, die Ernährungsprobleme aufwiesen. Bei uns seltene Erkrankungen wie Läuserückfallfieber, schwere Tuberkulose oder andere Infektionskrankheiten mussten diagnostiziert und behandelt werden. Insbesondere überraschte die Helfer die große Anzahl an Kindern mit Diabetes, Asthma, Hypertonie, zystischer Fibrose oder Nierenversagen.
Um der Situation überhaupt Herr zu werden, war das Engagement von 137 Ärzten und 86 Schwestern/Pflegern und Rettungsdienstlern notwendig, die überwiegend freiwillig während ihrer Freizeit in den Notaufnahmezelten arbeiteten. Die „Münchner Erfahrung“ zeigt, wie eine derartige Situation mit freiwilligem medizinischen Personal gemanagt werden kann. CB
Quelle:

Nicolai T et al.: Caring for the wave of refugees in Munich. N Engl J Med 2015; 373: 1593-4

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