Kongress der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung 2017

Praxis-Depesche 3/2017

VKA aufheben – Rivaroxaban bei SVT – Blutgruppe und Thrombophilie

Im Rahmen der 61. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) stellten Experten neue Erkenntnisse zum Antikoagulationsmanagement vor und einige geltende Empfehlungen zum Thrombophilie-Management infrage. Im Fokus standen natürlich Patienten im Allgemeinen, aber auch Jüngere und Schwangere.

So gelingt die VKA-Reversion
 
Was genau zu tun ist, wenn die Wirkung von Vitamin-K-Agonisten (VKA) aufgrund von Blutungen aufgehoben werden muss, zeigte Prof. Sabine Eichinger-Hasenauer, Wien. „Bei Patienten mit supratherapeutischer INR ohne oder mit nur leichten Blutungen reicht es, den VKA ein bis zwei Tage lang abzusetzen“, so Eichinger. Liegt die Ausgangs-INR ≤5, sollte der Wert frühestens nach einer Woche kontrolliert werden, bei einer INR >5 spätestens nach zwei Tagen. Besteht erhöhtes Risiko für eine verlängerte Reversionsdauer, z. B. bei lang wirksamen VKA oder höherem Alter, kann zusätzlich die Gabe von 1 bis 2,5 mg oralem Vitamin K1 erwogen werden. Im Falle klinisch relevanter Nicht-Majorblutungen ist eine VKA-Umkehr ab einer INR >1,5 angebracht. Nach Absetzen des VKA sollte hier ebenfalls 1 bis 2,5 mg orales Vit. K1 verabreicht werden (INR-Check nach ein bis zwei Tagen). Falls nötig, kann die VKA-Reversion durch i.v.-Gabe von Vitamin K um rund vier Stunden beschleunigt werden. Bei Majorblutungen (INR >1,5) sollte nach Absetzen des VKA mit 10 mg Vitamin K1 i.v. supplementiert und zusätzlich 4F-PPC (4-Faktor- Prothrombinkomplex-Konzentrat) gegeben werden. 4F-PCC erreichte in Studien gegenüber Plasma eine vergleichbare, dabei aber signifikant schnellere INR-Reduktion.
 
Rivaroxaban bei oberflächlichen Venenthrombosen
 
Laut Prof. Jan Beyer-Westendorf, Dresden, ist das direkte orale Antikoagulans (DOAK) Rivaroxaban eine gleichwertige, einfachere und auch günstigere Alternative zu dem selektiven Faktor-Xa-Hemmer Fondaparinux in der Therapie oberflächlicher Venenthrombosen (SVT). Dies zeigten Daten der SURPIRSE-Studie, in welcher die Wirksamkeit von 1× tgl. 10 mg Rivaroxaban vs. 2,5 mg Fondaparinux bei je 236 SVT-Patienten über einen Behandlungszeitraum von 45 Tagen verglichen wurde. Eingeschlossen waren nur Patienten mit SVT-Lokalisation oberhalb des Knies und mindestens einem zusätzlichen Risikofaktor für venöse Thromboembolien (VTE). Die Therapie mit Rivaroxaban erwies sich gegenüber Fondaparinux als nicht unterlegen. Der zusammengesetzte primäre Endpunkt (Ausdehnung oder Rezidivierung der SVT, symptomatische tiefe Venenthrombosen, Lungenembolien oder allgemeine Mortalität) wurde unter Rivaroxaban bzw. Fondaparinux nach 45 Tagen mit vergleichbarer Häufigkeit erreicht (7±3,3 vs. 4 ±1,8%). Schwere Blutungen traten bei keinem Patienten auf. „Die Rate klinisch relevanter Nicht-Majorblutungen war unter Rivaroxaban zwar etwas höher (6 vs. 1%), war absolut gesehen aber ebenfalls sehr gering“, so Beyer-Westendorf.
 
Auch Jungs haben Thrombosen
 
Thrombosen im Jugendalter sind eher selten und betreffen i. d. R. Mädchen. Dass sie aber gar nicht so selten auch bei männlichen Jugendlichen auftreten können, zeigten Daten der Forschergruppe um Dr. Ivonne Wieland, Hannover. Über einen Zeitraum von zwei Jahren behandelten Wieland und Kollegen an ihrer Klinik insgesamt 13 14- bis 17-Jährige mit Thrombosen, davon fünf Jungen und acht Mädchen. Alle Mädchen verhüteten mit östrogenhaltigen oralen Kontrazeptiva und wiesen mindestens einen weiteren exogenen oder hereditären Risikofaktor für Thrombosen auf (Faktor-V-Leiden oder Prothrombinmutation, erhöhtes Lipoprotein a, langes Sitzen oder Immobilisierung durch Gipsverband). Antiphospholipidsyndrom (APS) lag entgegen den Erwartungen bei keinem der Mädchen, dafür aber bei zwei der Jungen vor. Zwei weitere Jungen zeigten eine Faktor-V-Leiden-Mutation und ein Junge litt an Lupus erythematodes. Bei einem der Jungen konnte kein eindeutiges thrombophiles Risiko identifiziert werden. Auch waren – bis auf einen – die Jungen allesamt schlank und sportlich.
 
Thrombophilie-Screening, aber richtig
 
Dass nicht jeder angebotene Thrombophilie- Test sinnvoll ist, um eine erworbene oder vererbte Thrombophilie auszuschließen, erklärte Prof. Edelgard Lindhoff-Last, Frankfurt. Ausreichend Daten für einen klinischen Nutzen gibt es bisher lediglich für den Nachweis von Funktionsverlustmutationen (Antithrombin-, Protein-S- oder Protein- C-Defizienz sowie Mutationen, die eine Funktionsverstärkung bewirken [Faktor-V-Leiden, Prothrombin G20210A, Faktor-VIII- Verstärkung, Dysfibrinogenämie, Hyperhomocysteinämie]). Ein weiterer Faktor, der aus Sicht von Lindhoff-Last in das Thrombophilie- Screening integriert werden sollte, ist die Blutgruppe. Denn Nicht-0-Blutgruppen kommen bei ca. 55% aller Menschen in den westlichen Ländern vor und sind mit einer Verdopplung des Thromboserisikos verbunden. Von einer routinemäßigen Analyse anderer Polymorphismen oder Testfaktoren, z. B. der MTHFR-Mutation, riet Lindhoff-Last aufgrund mangelndem klinischen Nutzen bzw. fehlender Evidenz ab. OH
ICD-Codes: I82.9

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