European Respiratory Society, Wien 2003

Praxis-Depesche 20/2003

Von Cheyne-Stokes bis SARS

Auf dem diesjährigen ERS-Kongress in Wien konnten die Teilnehmer neben den klassischen Topics aus einem reich gegliederten Themenangebot von pädiatrischen Erkrankungen bis Tuberkulose auswählen. Neue Aspekte bei schlafbezogenen Atemstörungen wurden ebenso diskutiert wie SARS.

Cheyne-Stokes-Atmung (CSR), periodisches Wechseln der Atemtiefe sowie Atempausen, ist eine häufige Erscheinung bei chronischer Herzinsuffizienz. Die Betroffenen sind zusätzlich gefährdet durch sympathikotone Überstimulation und haben nach Dr. Ingo U. Fietze, Charité, Berlin, ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Züricher Kardiologen untersuchten in Zusammenarbeit mit Pneumologen bei zehn ambulanten Patienten mit herabgesetzter linksventrikulärer Pumpfunktion die Prävalenz dieser Atmungsstörung: Mit Hilfe eines tragbaren Monitor-Systems bestimmte man das Atemmuster der Gruppe während 24 Stunden ihres normalen Alltags, indem u. a. Sauerstoffsättigung, Brustkorbbewegungen (mittels Plethysmographie) und Herzfrequenz aufgezeichnet wurden. Dabei zeigte sich, dass die Atemdysregulation im Laufe eines Tages häufiger vorkommt als bisher angenommen. Alle Untersuchten wiesen mindestens während 10% der Schlafenszeit Episoden auf, einige der Patienten auch über einen beträchtlichen Teil des Tages. Da man weiß, dass die periodische Atmung mit ihren Arousal-Reaktionen über die wiederkehrenden Schlafunterbrechungen und die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen die Prognose der Herzpatienten verschlechtert, wurden in den letzten Jahren verstärkt Möglichkeiten einer Kontrolle der Störung diskutiert, etwa O2-Therapie oder die bei der obstruktiven Schlafapnoe etablierte nCPAP-Methode, bei der über Nasenmaske durch kontinuierlichen Druck die oberen Atemwege offengehalten werden. Interessant erschien auch die Gabe von Theophyllin: Die Substanz kann das Auftreten von Apnoe- und Hypopnoe-Episoden reduzieren. Göttinger Kliniker untersuchten die Auswirkung dieser Medikation auf den Sympathikustonus. Während der CO2-Partialdruck verringert wurde, gingen Herzfrequenz, Blutdruck und Minutenventilation signifikant in die Höhe. Dr. Stefan Andreas und Mitarbeiter raten angesichts der erhöhten sympathischen Aktivität zu größter Zurückhaltung mit dieser Therapie der CSR. An der Charité stellte man 38 Patienten auf eine Variante der nächtlichen nasalen Überdruckbeatmung ein, die sog. Bi-Level-Therapie. Die hier verwendeten Geräte applizieren unterschiedliche Drücke bei der Ein- und Ausatmung. Nach sechs Wochen waren weniger Apnoen/Hypopnoen pro Nacht zu messen, zusätzlich stieg die Ejektionsfraktion deutlich an, und außerdem litten die Behandelten weniger unter Tagesmüdigkeit. Das severe acute respiratory syndrome (SARS) kommt mitunter auch ganz untypisch daher. Insbesondere ältere Patienten können auch afebril sein und sich lediglich mit schlechtem Allgemeinbefinden präsentieren. Einer Analyse zufolge, die während der Epidemie in Hongkong aufgestellt wurde, hatten 6% der Patienten kein Fieber, darunter viele ältere Menschen. Nur jeder zweite Betroffene hatte tatsächlich Husten, und an Kurzatmigkeit litt nur rund ein Drittel - interessante Zahlen, angesichts der WHO-Kriterien, die das Augenmerk in erster Linie auf Husten und Atemschwierigkeiten lenken. Hält man sich an diese Definition, detektiert man letztlich nur 26% jener Patienten, die nicht in eine Klinik eingewiesen wurden, warnte Dr. S. David Hui, Hongkong. Er berichtete über charakteristische hämatologische Befunde. 98% einer Patienten-Serie wiesen z. B. eine absolute Lymphopenie (< 1000/mm3) auf. Diese entwickelte sich rasch in einer frühen Phase der Infektion; sie könnte ein Marker der Krankheitsaktivität sein. Eine Depletion der CD4- und CD8-Lymphozyten scheint mit einem ungünstigen Verlauf assoziiert zu sein. Weitere prognostische Faktoren, die mit einer schlechten Prognose verbunden waren, sind höheres Alter, hohe Neutrophilenzahl bei der Einweisung und initial hohe LDH-Werte, die Gewebeschäden widerspiegeln. Patienten mit Verdacht auf SARS wurden gemäß dem "Hongkong-Protokoll" mit Breitspektrum-Antibiotika behandelt. Legte sich das Fieber nicht binnen 48 h, wurden Ribavirin und ein Steroid dazugefügt. Mit diesem Regime ließ sich die Krankheit in einem Drittel der Fälle begrenzen; in den übrigen Fällen schritt die Pneumonitis rasch fort. Bei persistierendem Fieber und radiologischer Progredienz ging man zur Rescue-Therapie über: Pulstherapie mit Methylprednisolon in hohen Einzeldosen. Rund die Hälfte der so Behandelten sprach darauf an; die anderen benötigten hohe Sauerstoffmengen. Nachdem der in der HIV-Medizin eingeführte Proteasehemmer (PI) Lopinavir auch aktiv gegen das Coronavirus sein soll und zumindest retrospektiv bei jenen, die ihn als Add-on-Medikament erhielten, weniger Todesfälle gezählt wurden, wird man den Wirkstoff bei einer eventuellen zweiten Welle in Hongkong einsetzen. Auf die Frage, ob im Winter mit einem neuen Ausbruch zu rechnen sei, antwortete der Virologe A. Osterhaus, Rotterdam: "Ich wäre überrascht, wenn wir keine neuen Fälle hätten."

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