Neurodermitis bei Kindern

Praxis-Depesche 6/2018

Von Problemen in britischen Praxen lernen

Die Neurodermitis (atopische Dermatitis) ist die häufigste chronische Hautentzündung. Bei den meisten betroffenen Kindern liegt eine milde bis mäßig schwere Ausprägung vor; sie werden meist von niedergelassenen Ärzten behandelt. Jetzt wurde untersucht, wie gut das in England funktioniert – mit Erkenntnissen, die auch bei uns aufhorchen lassen sollten.

Über die Behandlung der Neurodermitis in der Primärversorgung durch Allgemeinärzte liegen nur wenige Publikationen vor. Nach dem Urteil der Autoren wird aus den verfügbaren Daten aber ersichtlich, dass Emollienzien nicht im nötigen Umfang eingesetzt werden und dass die häufigste Ursache von Therapieversagen mangelnde Adhärenz mit topischer Therapie ist. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Manche Eltern und Pflegepersonen klagen, sie hätten den Eindruck, dass der Arzt den Zustand des Kindes nicht ernst nimmt. Einige Betroffene sind auch über die Natur der Krankheit und ihre adäquate Behandlung verwirrt. Nebenwirkungen der Therapie (besonders von topischen Steroiden) werden von vielen gefürchtet. Die Erwartungen der Eltern wurden insgesamt nur bei einem Bruchteil der Konsultationen erfüllt.
Über die Perspektive der Allgemeinärzte ist diesbezüglich nichts bekannt. Diese Wissenslücke sollte eine Studie mit Online-Befragung und persönlichen Interviews schließen.
 
Begrenzte Erfahrung
 
15 Allgemeinärzte beiderlei Geschlechts, mit unterschiedlicher Berufserfahrung und aus verschiedenen soziodemographischen Regionen nahmen an der Studie teil. Die Analyse der Interviews ergab, dass die Ärzte wenig dermatologische Erfahrung hatten. Die meisten von ihnen waren aber überzeugt, eine unkomplizierte Neurodermitis sicher diagnostizieren zu können.
Bei der Verschreibung von Emollienzien gingen sie nach dem Prinzip des Ausprobierens vor. Über die Dosierung waren sie unsicher. Topische Kortikosteroide von niedriger bis mittlerer Potenz setzten sie häufig ein, mit hochpotenten Steroiden waren sie aber zurückhaltend. Den Eltern unterstellten sie, dass diese Befürchtungen gegenüber solchen Präparaten hätten.
Die Verlässlichkeit bei der Anwendung der Therapien schätzten die Ärzte als gering ein. Informationen zur Verbesserung der häuslichen Behandlung wurden in unterschiedlichem Ausmaß herausgegeben.
Eine Überprüfung der Medikation und eine Kontrolle des Krankheitszustandes wurden selten vorgenommen. Die Ärzte rechtfertigten dies mit übermäßiger Belastung. Viele von ihnen argumentierten, dass andere chronische Krankheiten und ältere Patienten mehr Aufmerksamkeit verdienten.
Die Ärzte hatten allgemein den Eindruck, dass sich ihre Vorstellungen über Ursachen und Therapie der Neurodermitis von jenen der Eltern stark unterschied. Sie gaben an, dass diese zu viel Augenmerk auf die vermeintlichen Ursachen des Leidens, wie z. B. Allergien, legten. Die Folge war, dass zu oft nach Tests auf Allergien gefragt wurde. Diese würden aus nach Überzeugung der Ärzte aber selten eine maßgebliche Rolle für die Neurodermitis spielen. Die Patienten hingegen vergaßen schnell die Namen der verschriebenen Präparate.
 
Geschöntes Bild?
 
Die Studie spiegelt möglicherweise nicht die echte Situation in englischen Allgemeinarztpraxen wieder, da bei der Rekrutierung vermutlich Ärzte mit überdurchschnittlichem Interesse an Neurodermitis bevorzugt wurden. Bei durchschnittlichen Allgemeinärzten könnten die geschilderten Probleme folglich sogar noch gravierender ausfallen. Auch ist nicht auszuschließen, dass bei den Interviews manche Defizite der Praxis verschwiegen wurden.
Ein wichtiges Zukunftsziel ist es aus Sicht der Autoren daher, das Wissen der Allgemeinärzte zur Neurodermitis und ihr Engagement in diesem Feld zu verbessern. Ärzte sollten sich die große psychosoziale Bedeutung des Leidens bewusst machen. Den sicheren Einsatz potenter Steroide sollten sie beherrschen und dies auch kommunizieren, um der verbreiteten „Steroid-Phobie“ entgegenzuwirken.
Nationale Leitlinien sprechen sich für ein proaktives Follow-up der Neurodermitis aus. Um dieses zu fördern, sollten gemäß den Autoren finanzielle Anreize geschaffen werden. Solche Nachschau könnte auch dem Eindruck von Eltern abhelfen, der Arzt kümmere sich zu wenig um ihr Kind. Wissenschaftliche Kontroversen etwa zum Thema Allergie-Testung und Vermeidung von Nahrungsbestandteilen sollten durch weitere Forschung einer Lösung zugeführt werden. WE
Quelle:

Le Roux E et al.: GPs’ experiences of diagnosing and ... Br J Gen Pract 2018; 68 (667): e73-e80

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