Akute unkomplizierte Appendizitis

Praxis-Depesche 1-2/2022

Vor- und Nachteile von konservativer und operativer Therapie

Eine zuvor gesunde 28-jährige Frau kommt mit seit zwei Tagen bestehenden diffusen Oberbauchbeschwerden in die Notaufnahme. Ihre Körpertemperatur liegt bei 37,8 °C, alle anderen Vitalparameter sind im Normbereich. Der rechte untere Bauchquadrant reagiert mit Druckschmerzen und mäßig lokalisiertem Rebound. Die Anzahl der weißen Blutkörperchen beträgt 12.500/mm3. Das CT zeigt einen dilatierten, entzündeten Appendix ohne Appendikolith, Abszess, Perforation oder Tumor. Welche Therapieoptionen stehen zur Verfügung?
Kommentar
Wichtig ist es, die Patienten über alle Vor- und Nachteile beider Therapiestrategien zu informieren, sie an der Entscheidungsfindung maßgeblich zu beteiligen und ihnen Zeit zu geben, die in Frage kommenden Maßnahmen zu überdenken. Dabei gilt es, spezifische Empfehlungen zu vermeiden und stattdessen objektiv und ohne subtile Voreingenommenheit zu informieren. Zum Beispiel könnte der Arzt das Gespräch wie folgt beginnen: „Es gibt zwei sichere Optionen mit unterschiedlichen Vor- und und Nachteilen. Die beste Wahl hängt davon ab, welche Ergebnisse für Sie am wichtigsten sind. Lassen Sie uns darüber sprechen.“ Wichtige Faktoren seitens des Patienten bzw. der Eltern wie frühere chirurgische Erfahrungen, berufliche und familiäre Verpflichtungen, zeitliche Flexibilität, Reisepläne und zu erwartende Kosten sollten im Gespräch berücksichtigt werden.
Die Patientin – eine alleinerziehende Mutter mit einer fünfjährigen Tochter – bewertet ihre Schmerzen auf einer visuellen Analogskala von 1 bis 10, wobei 10 für schlimmstmögliche Schmerzen stehen, mit 7. Eine Schwangerschaft sowie SARSCoV- 2 können ausgeschlossen werden. Die Diagnose lautet akute, lokalisierte, unkomplizierte Appendizitis.
Diese Diagnose trifft auf rund 80 % aller Appendizitis-Fälle zu. Sie ist der häufigste Grund für eine abdominale Notfalloperation. Die höchste Inzidenz einer akuten unkomplizierten Apendizitis findet sich bei Personen zwischen zehn und 19 Jahren. Das Lebenszeitrisiko beträgt 7 bis 8 %. Die betroffenen Patienten sind Kandidaten für eine Appendektomie oder eine konservative Behandlung. Letztere umfasst eine Analgesie, eine sieben- bis zehntägige Antibiose und eine sorgfältige Nachsorge.
Im schlimmsten Fall kann erneut eine Appendizitis auftreten. Hier ist die klassische in Europa und den USA meist laparoskopisch durchgeführte Appendektomie von Vorteil, da der Eingriff eine erneute Appendizitis und die damit verbundenen Krankenhausaufenthalte ausschließt. Allerdings erfordert der chirurgische Eingriff in der Regel eine Vollnarkose und in den meisten Fällen einen Krankenhausaufenthalt von mindestens einer Nacht.
 
Appendikolith erhöht Wahrscheinlichkeit für später notwendige Appendektomie
Bei konservativer Therapie ist dagegen ein Krankenhausaufenthalt – zumindest routinemäßig – nicht notwendig. Außerdem ist sie mit einer kürzeren Arbeitsunfähigkeit verbunden als die Appendektomie. Es besteht kein erhöhtes Risiko einer Ruptur. Allerdings müssen sich über einen Zeitraum von fünf Jahren ungefähr 30 bis 40 % der nicht invasiv behandelten Patienten trotz Antibiose einer Appendektomie unterziehen. Die Raten variieren abhängig von Patientencharakteristik und Praxis. So erhöht ein Appendikolith bei konservativ behandelten Patienten die Wahrscheinlichkeit einer später notwendigen Appendektomie. GS
Quelle: Talan DA, Di Severin S: Treatment of acute uncomplicated appendicitis. N Engl J Med 2021; 385: 1116-23
ICD-Codes: K35.9

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