Alles 37°, oder was?

Praxis-Depesche 3/2018

Warmblüter sterben früher

Traditionell veröffentlicht das British Medical Journal in seiner „Weihnachtsausgabe“ am Jahresende Studien, die zwar nach (mehr oder weniger strengen) wissenschaftlichen Kautelen durchgeführt wurden, deren Ergebnisse aber auch gerne einmal zum Schmunzeln anregen dürfen. Eine solche „Weihnachtsstudie“ befasste sich nun mit interindividuellen Unterschieden der physiologischen Körpertemperatur. Diese war durchaus variabler als gedacht, was zur großen Überraschung der Forscher aber noch einen anderen, ziemlich relevanten Effekt hatte.

1868 führte Carl Reinhold August Wunderlichs Opus magnum „Das Verhalten der Eigenwärme in Krankheiten“ dazu, dass die klinische Körpertemperaturmessung breite Anerkennung fand. Seither gelten 37°C als der physiologische Wert, der vom gesunden Körper konstant gehalten wird. Jetzt – in Zeiten von Big data – untersuchten Obermeyer et al. die physiologische Körpertemperatur erneut, diesmal an über 35 000 ambulanten Patienten eines großen Lehrkrankenhauses, die an keiner nachweisbaren Infektion litten. Es wurden insgesamt 243 506 Temperaturmessungen ausgewertet.
Die mittlere gemessene Temperatur betrug dabei 36,6°C (unter Berücksichtigung aller erdenklicher Einflussfaktoren wie Raumtemperatur, Körpermessstelle, Uhrzeit usw.). Ältere Menschen wiesen eine signifikant niedrigere Temperatur auf (-0,021°C für jede Lebensalterdekade). Frauen afroamerikanischer Herkunft erreichten die höchsten Messwerte (+0,052°C versus Männer europäischer Herkunft). Bei Hypothyreoidismus war (erwartungsgemäß) die Durchschnitts temperatur niedriger, bei malignen Erkrankungen höher. Auch vom BMI hing die Temperatur ab: Je dicker der Mensch, desto wärmer (+0,002°C pro BMI-Einheit).
Insgesamt konnten aber nur 8,2% der interindividuellen Temperaturvariabilität durch die erhobenen Co-Faktoren erklärt werden – der Rest blieb unerklärt. Eben dieser Anteil unerklärter Variabilität aber war signifikant mit einer erhöhten Gesamtmortalität assoziiert: Eine Temperaturerhöhung von 0,149°C ließ die Mortalität um 8,4% steigen (p=0,014).
Einer der „Fundamentalsätze“ aus Wunderlichs Werk aus 1868 lautete, dass „... im gesunden Zustand der Mensch unter allen Umständen, in jedem Alter, unter allen Verhältnissen und Lagen ... eine nahezu gleich hohe Eigenwärme zeigt.“ Das kann man nun, nach 150 Jahren, als widerlegt ansehen. CB
Quelle:

Obermeyer Z et al.: Individual differences in normal body temperature. BMJ 2017; 359: j5468

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