Evolution

Praxis-Depesche 10/2017

Warum gibt es den weiblichen Orgasmus?

Eine Frau muss keinen Orgasmus haben, um schwanger zu werden. Doch warum gibt es den weiblichen Höhepunkt dann überhaupt? US-amerikanische Forscher entwickelten eine neue Hypothese zu seinem evolutionsbiologischen Ursprung.

Bei Säugetieren gibt es drei Typen der Ovulation: die umweltinduzierte, die männlich- induzierte und die spontane. So steuern beispielsweise bei Pferden die Tageslänge und die Temperatur den Sexualzyklus, sodass die Fortpflanzung vor allem im Frühjahr und Sommer stattfindet. Bei Katzen und Kaninchen dagegen triggert der Geschlechtsakt selbst die Freisetzung der Hypophysenhormone und löst damit den Eisprung aus. Mit der Phylogenese der spontanen Ovulation wurde dieser neuroendokrine Reflex überflüssig. Der Orgasmus der Frau, bei dem ebenfalls vermehrt Prolaktin und Oxytocin ausgeschüttet werden, könnte ein Überbleibsel aus dieser Zeit darstellen.
Als Beleg für ihre These führten Wissenschaftler nun an, dass die Klitoris bei Primaten im Verlauf der Evolution der spontanen Ovulation immer weiter nach außen gewandert ist. Dadurch wird sie bei der Penetration nicht mehr automatisch stimuliert. Diese anatomischen Veränderungen sind nach Ansicht der Forscher nur möglich, wenn der Ovulationszyklus vom Geschlechtsakt unabhängig gesteuert wird. Möglicherweise kam dem weiblichen Orgasmus später eine neue Bedeutung zu – etwa als Instrument zur Partnerwahl, zur Bindungsstärkung oder zum Auslösen von Muskelkontraktionen, die den Spermientransport in Richtung Eizelle fördern. CW
Quelle:

Pavlicev M et al.: The evolutionary origin of female orgasm. J Exp Zool 2016; doi: 10.1002/jez.b.22690

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