Praxis-Depesche 23/2003

Welche Antirheumatika in der Schwangerschaft?

Da die Auswirkungen medikamentöser Therapien auf die Gravidität beim Menschen nur unzureichend untersucht sind, ist Zurückhaltung geboten. Andererseits kann aber auch der Leidensdruck gerade rheumatischer Leiden eine Schwangerschaft negativ beeinflussen.

Im Verlauf der Schwangerschaft reagiert das Ungeborene auf Medikamente unterschiedlich empfindlich. Besonders kritisch ist die Phase der Organogenese, also der 20. bis 70. Tag nach der letzten Regelblutung. Ein weiterer problematischer Zeitraum bei Medikamenten mit blutungsfördernden und wehenhemmenden Eigenschaften ist das dritte Trimenon. Dies gilt insbesondere für NSAR. Eine Rolle spielen auch Plazenta-Gängigkeit und Verstoffwechselung in der Plazenta, die allerdings selten genau bekannt sind. Bei der Entscheidung für oder gegen ein Medikament in der Schwangerschaft werden meist allgemeine Quellen zu Rate gezogen wie die Rote Liste, die aber bei sehr vielen Substanzen den Vermerk "Kontraindikation: Schwangerschaft" aus rein juristischen Gründen aufführt. Die Liste der Medikamente, die tatsächlich teratogene Eigenschaften besitzen, ist erstaunlich kurz. In der Rheumatologie eingesetzte Substanzen mit solchem Risiko sind: Antimetaboliten wie Methotrexat oder Cyclophosphamid, Penicillamin, Misoprostol, Carbamazepin, Valproinsäure und im letzten Trimenon NSAR. Falls eine medikamentöse Behandlung in der Schwangerschaft unumgänglich ist, sollte man möglichst zu Mitteln greifen, deren Unbedenklichkeit aus jahrelanger Erfahrung bekannt ist. Paracetamol gilt als Mittel der ersten Wahl. Es ist zwar plazentagängig, hat aber keine teratogenen und in der üblichen Dosierung (bis 4 g/d) auch keine anderen toxischen Auswirkungen. Es ist auch in der Stillzeit einsetzbar, da wenig in die Muttermilch gelangt. Bei stärkeren Schmerzen kann Paracetamol kurzzeitig mit Codein kombiniert werden. Da Opiate zur Atemdepression bei Neugeborenen führen können, ist diese Kombination am Ende der Schwangerschaft zu vermeiden. NSAR haben zwar - mit Ausnahme von Phenylbutazon - keine teratogenen Effekte in der Frühschwangerschaft; im dritten Trimenon sind sie aber kontraindiziert: Zum einen verursachen sie häufig einen vorzeitigen Verschluss des Ductus Botalli (ab der 34. Woche zu 100%); zum anderen kann es infolge ihrer wehenhemmenden Wirkung zur Verzögerung der Geburt kommen. Und schließlich erhöhen sie das Blutungsrisiko, da sie die Thrombozytenaggregation hemmen. Einzige Ausnahme ist niedrig dosierte ASS bei Präeklampsie und Antiphospholipid-Syndrom. Für das erste Trimenon ist der Einsatz von NSAR mit kurzer Halbwertszeit, etwa Ibuprofen oder Diclofenac, möglich; hier liegen ausreichend Erfahrungen für die komplikationslose Anwendung vor. Für den Einsatz COX-2-selektiver Inhibitoren (Coxibe) gibt es nur wenige publizierte Daten. Deshalb besteht für das erste und zweite Trimenon eine relative Kontraindikation (für Celecoxib wegen der Teratogenität eine absolute!). Für das dritte Trimenon gilt das Gleiche wie bei NSAR: Auch die Coxibe verursachen einen vorzeitigen Verschluss des Ductus Botalli. Bei stärkeren entzündlichen Symptomen sind in der Schwangerschaft niedrig dosierte Kortikosteroide Mittel der Wahl. Dabei sollten hier Prednison oder Prednisolon bevorzugt werden, da sie nur zu 10% in die Plazenta gelangen. Als Tagesdosis werden maximal 10 mg empfohlen, besser weniger. Höhere Prednisolon-Mengen (ab 20 mg) verstärken das Risiko einer Fehlgeburt, sind aber bei hochaktiven Systemleiden die am wenigsten komplikationsbeladene Therapie. Bei einer länger dauernden Gabe von Kortikosteroiden sollte man eine Substitution von 1000 mg Kalzium und bis zu 500 I.E. Vitamin D pro Tag verordnen. Eine gesteigerte Infektanfälligkeit des Feten ist nur bei hohen Dosen zu erwarten. In der Stillzeit gibt es im Prinzip keine Bedenken gegen Kortikoide. Bei höheren Dosen sollte man einen zeitlichen Abstand von vier Stunden zwischen Einnahme und Stillen einhalten; im Low-dose-Bereich ist dies nicht notwendig. Auf Basistherapeutika sollte man während der Schwangerschaft generell verzichten. (Bei Kinderwunsch ist ein rechtzeitiges Absetzen vor der Konzeption anzuraten.) Für Patientinnen mit hoher Krankheitsaktivität kann es allerdings notwendig werden, Substanzen aus dieser Gruppe auszuwählen und zu verabreichen, die noch mit das geringste Risiko für Schwangere aufweisen. Am günstigsten unter den Basistherapeutika wird Sulfasalazin beurteilt; negative Erfahrungen hat man damit nicht gemacht. Da es als Folsäure-Antagonist jedoch niedrige Folatspiegel verursachen kann, die wiederum das Risiko für Neuralrohrdefekte erhöhen, sollte man während der Schwangerschaft unbedingt Folsäure substituieren. Azathioprin ist die in der Gravidität am besten untersuchte Substanz. Eine Reihe von Nebenwirkungen auf den Feten wurden beschrieben. In sehr schweren Fällen von rheumatoider Arthritis oder SLE scheint es bei sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiko jedoch noch am ehesten einsetzbar. Nach Azathioprin ist Ciclosporin für solche schweren Fälle die nächste Wahl. Ansonsten sollte es in Schwangerschaft und Stillzeit nicht eingesetzt werden. In der Gravidität nicht angezeigt sind Antimalariamittel und Gold. Absolut kontraindiziert sind Methotrexat und das neueste Basistherapeutikum Leflunomid. In beiden Fällen ist eine zuverlässige Kontrazeption erforderlich, wenn die Substanzen Frauen im gebärfähigen Alter verabreicht werden. Biologika wie die TNFalpha-Hemmstoffe Infliximab und Etanercept oder der Interleukin-Rezeptorantagonist Anakinra gelten bislang mangels ausreichender Erfahrungen als kontraindiziert für Schwangere und Stillende. Zu bedenken ist schließlich auch, dass viele frei verkäufliche Phytotherapeutika in höheren Dosen durchaus Schäden hervorrufen können. (EH)

Quelle: Krüger, K: Medikanetöse antirheumatische Therapie in der Schwangerschaft, Zeitschrift: AKTUELLE RHEUMATOLOGIE, Ausgabe 28 (2003), Seiten: 144-150

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