Auf Augenhöhe begeben?

Praxis-Depesche 4/2019

Wenn Ärzte Persönliches preisgeben

Manchmal, wenn der Viszeralchirurg Prof. Tim Underwood aus Southampton (UK) seinen Krebspatienten helfen möchte, erzählt er ihnen eine sehr persönliche Geschichte. Aber ob das immer eine gute Idee ist?
„Vor einigen Jahren verlor meine Frau unser ungeborenes Kind in der 24. Schwangerschaftswoche. In derselben Nacht musste ich einer Notfall-Hysterektomie wegen starker Nachblutungen bei meiner Frau zustimmen.“
So lautet die Geschichte, die Underwood manchmal seinen Patienten erzählt, um ihnen zum einen zu zeigen, dass auch er selbst schon einmal mit Verlusten klarkommen musste; zum anderen vermittelt er seinen Patienten dann aber auch wieder Hoffnung, wenn er fortfährt: „Vier Jahre später konnten wir einen entzückenden kleinen Jungen adoptieren.“ Diese Geschichte hören manchmal Patienten von ihm, die mit einem onkologischen Rezidiv konfrontiert sind.
Thomas Jones, Hausarzt aus Stalybridge (UK), erzählt manchen seiner Angstpatienten, dass er selbst in jungen Jahren mittels kognitiver Verhaltenstherapie von Angstzuständen befreit wurde. Damit werde er, da ist Jones überzeugt, zu einem positiven „role model“ für seine Patienten. In einer Studie aus Neuseeland, die 16 Hausärzte befragte, kam heraus, dass ein derartiges Preisgeben von persönlichen Erfahrungen durch Ärzte im Rahmen einer Patientenkonsultation recht häufig vorkommt – vor allem aber wurde es von den Patienten in der Regel sehr geschätzt. Allerdings, so warnen die Autoren, könne ein solches Verhalten bei manchen Patienten auch eine gewisse, gesteigerte und „unnatürliche“ Abhängigkeit von ihrem Arzt hervorrufen. CB

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