Von Hörverlust betroffen waren in einer Erhebung in den USA 63% der Personen ab 70 Jahren, in 27% mäßig oder schwer. Trotz hoher Prävalenz wird er oft von Patienten und Klinikern nicht erkannt und er wird zu wenig behandelt. Die Folgen können beträchtlich sein, denn Hörverlust ist assoziiert mit sozialer Isolation, Abnahme der Funktionsfähigkeit, schlechter Lebensqualität, depressiven Symptomen und kognitiven Defiziten. Den Schweregrad geben Hörschwellen in dB an. Die Einteilung erfolgt üblicherweise in sensorineural, konduktiv oder gemischt. Der sensorineurale Typ kann über Jahre (z. B. lärminduziert), über Wochen bis Monate (z. B. durch Arzneimittel) oder über Stunden bis Tage entstehen (letzteres bei Innenohrstörungen wie Morbus Menière oder Labyrinthitis). Zu den Hauptursachen von konduktivem Hörverlust bei älteren Menschen zählen Zerumenpfropf, Otosklerose und Otitis media.
Presbyakusis oder Altersschwerhörigkeit, ein multifaktorieller sensorineuraler Hörverlust, betrifft initial hohe Frequenzen und verschlechtert sich über Jahrzehnte bei Personen über 50 Jahren. Außer mit dem Alter ist sie stark mit Lärmexposition assoziiert. Oft begleitet sie als Komponente auch eine Störung der zentralen auditorischen Verarbeitung, die die Spracherkennung weiter erschwert (Prävalenz ab 80 Jahren bis zu 95%).
Entdeckt werden kann ein Hörverlust durch Anamnese oder Screening (siehe Kasten). Zwar gibt es relativ wenige Daten zur positiven Wirkung von Screening, doch rechtfertigen Häufigkeit des Problems, Nichterkennen und Abhilfemöglichkeiten den Einsatz bei älteren Personen. Obwohl dies nicht formal untersucht wurde, ist es wahrscheinlich genauso wichtig, wenn nicht wichtiger, ein Familienmitglied oder einen Betreuer zum Ausmaß des Hörverlustes eines Patienten und zu dessen Funktionsfähigkeit zu befragen wie ihn selbst. Bei der Anamnese kann auf Hörfähigkeit und Sprachverständnis geachtet werden, besonders wenn man sich nicht direkt gegenübersteht. Ins Ohr zu schauen ist unerlässlich (u. a. um ggf. Zerumen zu entdecken).
Audiometrie bei Verdacht
Jeder Patient mit Hörverlust oder Verdacht darauf braucht eine Audiometrie (in den USA geht er zum „Audiologist“, der studiert hat). Dabei werden Hörschwellen reiner Töne von 250 bis 8000 Hz ermittelt. Dazu gehören auch Tests von Worterkennung und Schallleitung im Knochen, akustische Reflexe, um Anomalien der Gehörknöchelchen zu erkennen, und Tympanometrie zur Mittelohr-Beurteilung. Zum HNO-Arzt überwiesen wird in den USA, wenn ein Trauma zum Hörverlust geführt hat, bei Trommelfellperforation, andauerndem und reichlichem Ausfluss aus dem Ohr, Hörverlust assoziiert mit schwerem Schwindel oder bei Zeichen schwerer Infektion. Sofort von ihm untersucht werden müssen Personen mit plötzlichem Hörverlust, um permanente Schäden zu minimieren. Überweisungen sind auch indiziert bei wesentlicher Asymmetrie im Audiogramm oder bei abnormen Hörtest-Ergebnissen ohne offenkundige Erklärung.
Weitere Kapitel der Übersicht befassen sich mit Kommunikation mit Schwerhörigen, Einsatz von Hörgeräten und besonderen Herausforderungen von Hörverlust und Geriatrie. SN