Gehörlose oder schwerhörige Kinder

Praxis-Depesche 17/2005

Wichtig sind noch mehr Prävention und auf alle Fälle Früherkennung

In den letzten Jahrzehnten hat die erworbene Gehörlosigkeit dank verbesserter Schwangeren- und Neugeborenen-Betreuung in wohlhabenden Ländern abgenommen. Dementsprechend stieg der Anteil erblich bedingter Fälle. Diagnose- und Therapiemöglichkeiten beschreiben HNO-Ärzte aus den USA.

Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit sind das häufigste sensorische Defizit in besser entwickelten Gesellschaften. So werden z. B. in den USA jährlich 4000 Kinder, die taub sind, sowie 8000 mit einseitiger oder mäßiger Schwerhörigkeit geboren. Erbliche Gehörlosigkeit folgt meist einfachen mendelschen Mustern. Sie kann isoliert oder im Rahmen von Syndromen auftreten, darunter Pendred-Syndrom mit progredientem Hörverlust. Entsprechend breit gefächert ist das Spektrum verantwortlicher Gene. Etwa die Hälfte der Fälle wird aber in vielen Ländern durch Mutationen von GJB2 verursacht, das ein Protein für Gap-Junctions codiert. Erworbene Schwerhörigkeit bei Neugeborenen entsteht in der Schwangerschaft durch die TORCH-Infektionen (Toxoplasmose, O für "others", Röteln, C wie Zytomegalie, Herpes-simplex-Virus), in Industrieländern vor allem durch Zytomegalie. Von den Babys, die initial asymptomatisch sind, haben 8 bis 10% später eine eingeschränkte Hörfähigkeit. Der häufigste Grund vorübergehender Hörstörungen nach der Geburt ist die Otitis media; für bleibende Schäden sind es Meningitiden, die aber dank Hib-Impfung zurückgehen. Kinder, die eine Meningitis überstanden haben, müssen nachuntersucht werden. Bei größeren Kindern besteht auch die Gefahr lärmbedingter Schwerhörigkeit bzw. zusätzlicher Schäden durch verschiedene Quellen (nicht nur Musik). Das Hörvermögen kann je nach Alter unterschiedlich getestet werden. Ein Neugeborenen-Screening gibt es in vielen Ländern. Bis zum sechsten Monat verwendet man objektive Tests wie Hirnstamm-Audiometrie, otoakustische Emissionen und die auditorische Steady-state-Response und Tympanometrie. Später kommen Tests wie visuelle Reinforcement-Audiometrie und ab ca. fünf Jahren die Reinton-Audiometrie zum Einsatz. Die Therapie-Optionen sind so unterschiedlich wie Art und Ausmaß der Schwerhörigkeit. Dabei gilt, dass auch leichtere Störungen schulische Leistungen und soziale Interaktionen beeinflussen. Ob in schweren Fällen ein Kochlea-Implantat in Frage kommt, muss rechtzeitig geklärt werden. Wichtig für die Prävention erworbener Hörstörungen sind vor allem Impfprogramme in weniger entwickelten Ländern sowie Lärmschutz. Bei erblichen Formen sind gezielte genetische Beratung und Aufklärung wichtig. (EH)

Quelle: Smith, RJH: Sensorineural hearing loss in children, Zeitschrift: THE LANCET, Ausgabe 365 (2005), Seiten: 879-890

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