Dieser Frage gingen britische Forscher im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie nach. Sie analysierten die Daten von 147.334 Senioren (Alter ≥ 65 Jahre), welche sich zwischen 2007 und 2015 aufgrund von 280.462 unteren Harnwegsinfekten in allgemeinärztliche Behandlung begeben hatten. Bei der Mehrzahl der Harnwegsinfekte (87,3 %) wurde noch am selben Tag eine Antibiotikatherapie eingeleitet.
Innerhalb von 60 Tagen schritten 0,4 % der unmittelbar und 0,6 % der nicht oder verzögert mit Antibiotika behandelten Infektepisoden zu einer Blutstrominfektion fort. Unter Berücksichtigung potenzieller Störvariablen (z. B. demografische Parameter, Komorbiditäten, kürzliche Hospitalisationen und Antibiotikatherapien, Hausbesuche) unterschieden sich die beiden Studiengruppen bezüglich des Risikos für Blutstrominfektionen nicht signifikant. Eine verzögerte oder nicht eingeleitete Antibiotikabehandlung erhöhte jedoch das Sterberisiko innerhalb der folgenden 60 Tage.
Angesichts des retrospektiven Studiendesigns können die Forscher ein residuelles Confounding nicht ausschließen. Die Ergebnisse seien daher nicht belastbar. Ihrer Ansicht nach müssen dringend Diagnostik- und Risikoprädiktionsstrategien zum verantwortungsbewussten Antibiotikaeinsatz bei Harnwegsinfekten im höheren Alter entwickelt werden. LO
Wie gefährlich ist ein Therapieverzug?
Harnwegsinfekte zählen zu den häufigsten Indikationen für eine Antibiotikatherapie im höheren Alter. In vielen Fällen wird die Behandlung allerdings nicht oder mit Verzögerung eingeleitet. Steigt hierdurch das Risiko für Blutstrominfektionen?
Quelle:
Shallcross L et al.: Antibiotic prescribing for lower UTI in elderly patients in primary care and risk of bloodstream infection: A cohort study using electronic health records in England.
PLoS Med 2020; 17(9): e1003336
ICD-Codes:
N28.8
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