Jahrestagung der European Respiratory Society

Praxis-Depesche 10/2017

Asthma-Diagnose überprüfen – E-Zigaretten, Liquids & Gefahren

Den weltgrößten Lungenkongress richtete auch in diesem Jahr wieder die ERS aus: Fast 22 000 Teilnehmer kamen nach Mailand, um sich fortzubilden. Die Bandbreite der Themen war wie immer riesig – hier eine Auswahl.

Hat mein Patient wirklich (immer noch) Asthma?
 
Diese Frage sollte sich nach Ansicht von Dr. Shawn Aaron, Ottawa, jeder Arzt immer mal wieder stellen. Denn bei einem erheblichen Anteil von Patienten mit einer von einem Arzt gestellten Asthma-Diagnose konnten er und seine Mitarbeiter diese nicht bestätigen. In ihre Untersuchung hatten sie gut 600 zufällig ausgewählte Patienten aus der kanadischen Provinz Ontario eingeschlossen, die in den letzten fünf Jahren die Diagnose Asthma von einem niedergelassenen Arzt erhalten hatten, und diese mit einem stringenten Diagnose-Algorithmus überprüft. Das Ergebnis: Bei jedem dritten Patienten konnte eine aktuelle Asthma- Erkrankung sicher ausgeschlossen werden. Das Pikante: Ein Viertel davon nahm sogar täglich Medikamente gegen das – nicht bestehende – Asthma ein.
Gründe dafür, warum sie die Asthma-Diagnose so häufig nicht bestätigen konnten, könnten aus Sicht der Forscher sein, dass die Diagnose von vornherein falsch war, oder dass sich die Erkrankung mittlerweile in Remission befand. Dafür, dass die erste Möglichkeit vermutlich zumindest bei einem Teil der Patienten zutrifft, spricht die Tatsache, dass nur bei der Hälfte der Patienten im Rahmen der ursprünglichen Diagnose die Lungenfunktion untersucht worden war. Bei 12% der Patienten war aber auch eindeutig eine Remission eingetreten – bei ihnen konnten die Wissenschaftler die ursprüngliche Asthma-Diagnose als korrekt nachvollziehen. Aaron empfahl allen Kollegen, Asthma-Diagnosen unbedingt regelmäßig zu hinterfragen.
 
E-Zigaretten enthalten zahlreiche Atemwegsirritanzien
 
Gemäß neuer Bestimmungen dürfen Liquids für E-Zigaretten außer Nikotin ausschließlich Inhaltsstoffe enthalten, die weder in erhitzter noch in unerhitzter Form ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen. Doch offenbar bestehen hier deutliche Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis. Das zeigte eine aktuelle, von der EU geförderte Untersuchung, in der Forscher um Dr. Constantine Vardavas, Athen, die beliebtesten Liquids aus neun europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, auf ihre Inhaltsstoffe getestet haben. Dafür identifizierten sie jeweils die fünf umsatzstärksten Liquids pro Land und wählten davon drei nach dem Zufallsprinzip für ihre Analysen aus. In bis zu 40% der Liquids fanden sie mittels quantitativen chemischen Analysen Substanzen wie beispielsweise Menthol oder Methylcyclopentalon, von denen bekannt ist, dass sie die Atemwege irritieren und Asthmaund allergische Symptome auslösen können.
Eine ungezielte chemische Analyse ergab darüber hinaus, dass die Liquids insgesamt 246 unterschiedliche Substanzen enthielten, darunter auch Phtalate, die in 15% der Proben nachgewiesen wurden.
Diese bedenklichen Ergebnisse sind nach Ansicht von Vardavas vor allem vor dem Hintergrund relevant, dass immer mehr Raucher versuchen, mithilfe von E-Zigaretten vom Rauchen loszukommen. Gleichzeitig suchen immer weniger ärztlichen Rat oder verwenden Medikamente zum Rauchstopp. Er forderte, Ärzte darin auszubilden, wie sie ihre Patienten beim Rauchstopp unterstützen können.
 
E-Zigaretten erhöhen Gefäßsteifigkeit, Blutdruck und Herzfrequenz
 
Akute Effekte des Nikotins in E-Zigaretten auf kardiovaskuläre Parameter stellte Dr. Magnus Lundbäck aus Stockholm vor. Für seine Untersuchung hatten sich 15 junge Gelegenheitsraucher (weniger als zehn Zigaretten pro Monat) bereit erklärt, jeweils für 30 Minuten eine Nikotin-haltige bzw. eine Nikotin-freie E-Zigarette zu rauchen. Davor, direkt im Anschluss sowie zwei und vier Stunden später erfassten die Forscher die arterielle Gefäßsteifigkeit, den Blutdruck und die Herzfrequenz: Alle drei nahmen temporär zu. Die Wissenschaftler befürchten, dass diese Anstiege bei chronischer Exposition nicht wieder zurückgehen könnten. Bekanntlich handelt es sich bei allen dreien um kardiovaskuläre Risikofaktoren.
 
Asthma-Diagnose überprüfen – E-Zigaretten, Liquids & Gefahren

 

 
Monoklonale Antikörper
 
Vor allem beim schweren Asthma wurden in letzter Zeit große Fortschritte mit monoklonalen Antikörpern erzielt – und die Entwicklung geht weiter. So wurden als „Late Breaking Abstracts“ in Mailand vielversprechende Daten einer Phase-2-Studie zu Tezepelumab vorgestellt: Demnach kann der Antikörper gegen das epitheliale Zytokin mit dem Namen Thymic Stromal Lymphopoietin (TSLP) bei Patienten mit unkontrolliertem Asthma die annualisierte Rate an Asthma-Exazerbationen gegenüber Plazebo um 60 bis 70% senken.
Auch für Dupilumab, einen Antikörper, der die Signalwege von IL-4 und IL-13 inhibiert, wurden positive Studienergebnisse präsentiert. Schließlich erwies sich Mepolizumab, das bei Asthma bereits eingesetzt wird, auch bei einer Subgruppe von COPD-Patienten als effektiv. BA
ICD-Codes: J45.0

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