Invasive Pneumokokken-Erkrankungen

Praxis-Depesche 9/2015

Auf's Herz geschlagen

Patienten, die wegen einer ambulant erworbenen Pneumonie in die Klinik eingewiesen werden, besitzen bis zu einem Jahr nach dem Klinikaufenthalt ein erhöhtes Risiko für plötzlichen Herztod. Eine Arbeitsgruppe aus den USA und Großbritannien ging nun den Ursachen auf den Grund.

Auf der Liste der Ursachen von ambulant erworbener Pneumonie und Sepsis steht Streptococcus pneumoniae an erster Stelle. In 19% der Fälle ist eine Hospitalisierung wegen kardialer Ereignisse – Herzversagen, Arrhythmie, Herzinfarkt – erforderlich. Die spezifischen Wirt-Erreger- Interaktionen, die während einer invasiven Pneumokokken-Infektion zu den kardialen Schädigungen beitragen sind – Zellwand-vermittelte Hemmung der Kardiomyozyten- Kontraktilität, – die aktuelle Beobachtung, dass Pneumo - kokken in das Myokard eindringen können und dort diskrete, nicht-purulente und mit Pneumokokken gefüllte mikroskopische Läsionen bilden, aus denen kardiotoxische Produkte freigesetzt werden, – die bakteriellen Virulenzfaktoren Pneumolysin und Wasserstoffperoxid, die am wahrscheinlichsten für den Zelltod von Kardiomyozyten verantwortlich sind. Das Eindrigen der Pneumokokken in kardiales Gewebe hängt ab vom Adhäsin Cholin-bindenden Protein A (CbPA), das an den Laminin-Rezeptor auf den vaskulären Endothelzellen bindet, und der Bindung von Phosphorylcholin- Rückständen auf der Wand der Pneumokokken an den Plättchen-aktivierenden Faktor-Rezeptor (PAFR). Dabei handelt es sich um die gleichen Interaktionen, die für das Wandern der Pneumokokken durch die Blut-Hirn-Schranke im Rahmen einer Meningitis verantwortlich sind. Im Mausmodell fanden sich reproduzierbar nach durchgemachter Pneumokokken-Infektion im kardialen Gewebe deutliche Kollagenablagerungen. Innerhalb von 30 Stunden konnten in diesem Modell kardiale Mikroläsionen nachgewiesen werden. Inwieweit die kardialen Ereignisse nach einer ambulant erworbenen Pneumonie direkt von den kardiotoxischen Effekten des Bakteriums ausgelöst werden, ist zurzeit noch unklar. Diese Frage steht aber im Fokus weiterer Studien. Momentan fällt es noch schwer, den wahren Einfluss der spezifischen Erreger-Wirt-Interaktionen auf das Langzeit-Outcome von Patienten bzgl. der Herzfunktion zu verstehen. Beste Lösung zumindest zum heutigen Zeitpunkt scheint die Pneumokokken-Immunisierung zu sein. Seit der Einführung des siebenvalenten Impfstoffes im Jahre 2000 wurden in den Vereinigten Staaten in allen Altersgruppen schätzungsweise 160 000 weniger Hospitalisierungen wegen Pneumonie verzeichnet. Zukünftige Impfstoffe sollten außerdem noch Proteinantigene enthalten, die die Antikörper von Streptococcus pneumoniae blo - ckieren, welche das Eindringen des Erregers in das Herz ermöglichen. Dieses Antigen sollte gleichzeitig gegen Serotypen schützen, die durch eine Impfung nicht abgedeckt werden. Mögliche Kandidaten sind das CbpA und das Pneumolysin- Toxoid-Fusionsprotein, aber auch Medikamente, die die PAFR-Expression modulieren. GS

Quelle:

Brown AO et al.: Cardiotoxicity during invasive pneumococcal disease. Am J Respir Crit Care Med Vol 2015: 191, 739-45

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