Kaum bekannte Ursache für Diagnoseverzögerung

Praxis-Depesche 10/2016

„Nicht des Doktors Zeit verschwenden"

Es gibt ein wenig beachtetes Phänomen im Gesundheitswesen, weshalb Patienten mit Beschwerden keinen Arzt aufsuchen: Sie befürchten schlichtweg, die Zeit des Arztes mit ihrem Besuch zu verschwenden. Eine UK-Studie befragte nun solche Patienten nach den tatsächlichen Hintergründen.

Man rekrutierte und interviewte 62 Personen aus einer Patientenkohorte, die über 50 Jahre alt waren und in einem Umfragebogen zuvor angegeben hatten, dass bei ihnen mindestens ein „Alarmzeichen“ für eine Krebserkrankung vorlag. Das oder die Symptome mussten auch nach drei Monaten noch bestehen, dann waren die Kandidaten geeignet für das im Schnitt 42 Minuten dauernde Interview. Wenn der Patient während der Befragung das gewünschte Thema nicht von alleine auf’s Tablett brachte, wurde nachgefragt, z. B.: „Es gibt Menschen, die verzögert oder gar nicht zu ihrem Hausarzt gehen, weil sie Angst haben, die Zeit des Arztes zu verschwenden oder den Arzt zu belästigen. Trifft das auch auf Sie zu?“
Es zeigte sich, dass Patienten besonders dann Angst hatten, des Doktors Zeit zu verschwenden, wenn für sie der zeitliche Stress in der Arztpraxis erkennbar war, z. B. durch lange Wartezeiten oder Schwierigkeiten, einen Termin zu bekommen. Viele gaben an, dass Symptome, die nicht persistierten, sich nicht verschlimmerten oder nicht lebensbedrohlich waren, einer Aufmerksamkeit des Arztes nicht würdig wären. Oder anders herum: Je länger die Wartezeit, desto schlimmer sollten die Beschwerden schon sein, so eine häufige Patientendenke. Aber es kam auch öfter zur Vermeidung des Arztkontaktes durch den Patienten, wenn Schwestern, MFA oder Apotheker ihre Hilfe anboten.
Die Ergebnisse sind deshalb alarmierend, da es sich durchwegs um Patienten handelte, die eine Symptomatik aufwiesen, bei der eine weitere (zügige) onkologische Abklärung angezeigt wäre. CB
Quelle:

Cromme SK et al.: Worrying about wasting GP time as a barrier to help-seeking. Br J Gen Pract 2016; 66: e474-82

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