Praxis-Depesche 7/2003

Abklärung der männlichen Unfruchtbarkeit

Experten der American Urological Association haben Richtlinien für die Abklärung von Fruchtbarkeitsstörungen bei Männern vorgelegt.

Rund 20% der Fälle ungewollter Kinderlosigkeit gehen ausschließlich auf die Infertilität des Mannes zurück. In etwa 30 bis 40% der Fälle sind männliche Fertilitätsstörungen zumindest beteiligt. Fertilitätsstörungen bei Männern können zahlreiche Ursachen haben. In den meisten Fällen bestehen auffällige Befunde in der Samen-Analyse. Zunächst muss evaluiert werden, um welche Art von Störung es sich handelt. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen: - potenziell reversiblen Störungen - irreversiblen Störungen, bei denen die Möglichkeit besteht, Samen für eine assistierte Befruchtung zu gewinnen - irreversiblen Störungen, die keine assistierte Befruchtung ermöglichen - potenziell gesundheitsschädlichen oder lebensbedrohlichen Ursachen Fertilitätsstörungen sollten evaluiert werden, wenn es bei einem Paar nach einem Jahr ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht zu einer Konzeption kommt. In folgenden Fällen kann eine Abklärung auch schon früher erfolgen: - Vorliegen von Risikofaktoren für männliche Fertilitätsstörung (z. B. anamnestisch bilateraler Kryptorchismus) - Vorliegen weiblicher Infertilitäts-Risikofaktoren (z. B. Alter über 35 Jahre) - Zweifel des Paares an der männlichen Fertilität - Männer ohne Partnerin, die Zweifel an ihrer Fertilität haben Zunächst erfolgt eine ausführliche Reproduktions-Anamnese. Diese sollte erfassen: - Häufigkeit und Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs - frühere Fertilität und Dauer der aktuellen Infertilität - relevante Krankheiten im Kindesalter - systemische Krankheiten und frühere Operationen - Sexualanamnese, einschließlich sexuell übertragbarer Krankheiten - Exposition mit gonadalen Toxinen, einschließlich Hitze Außerdem sollte nach der Einnahme verschreibungspflichtiger und nicht-verschreibungspflichtiger Medikamente sowie nach Fertilitätsproblemen in der Familie gefragt werden. Die allgemeine körperliche Untersuchung umfasst: - Untersuchung des Penis, einschließlich einer Lokalisierung des Urethra-Ausgangs - Vermessen und Palpation der Hoden - Nachweis und Konsistenz der Vasa und Nebenhoden - Ausschluss einer Varikozele - Körper-Habitus und sekundäre Geschlechtsmerkmale, einschließlich Haarverteilung und Brust-Entwicklung - rektale digitale Untersuchung Die Samen-Analysen, die dabei helfen, den Schweregrad der männlichen Fertilitätsstörung zu erfassen, sollten im Abstand von wenigstens einem Monat erfolgen. Der Samen kann nach zwei- bis dreitägiger Abstinenz mittels Masturbation oder beim Geschlechtsverkehr mit einem speziellen Kondom gesammelt werden. Wird der Samen zu Hause gewonnen, sollte er während des Transports bei Raum- oder Körpertemperatur gehalten und innerhalb einer Stunde untersucht werden. Die Samen-Analyse gibt Auskunft über Samen-Volumen und Sperma-Konzentration sowie Motilität und Morphologie der Spermien. Referenzwerte für die einzelnen Parameter sind noch nicht etabliert. Nach derzeitigem Kenntnisstand gilt als normal: - Ejakulat-Volumen im Bereich zwischen 1,5 und 5,0 ml - pH über 7,2 - Spermatozoen-Konzentration über 20 Millionen pro ml - Gesamt-Spermienzahl über 40 Millionen pro Ejakulat - Motilität über 50% - Vorwärtsbewegung der Spermien über 2 (Skala von 0 bis 4) - unauffällige Morphologie (Abweichungen zwischen WHO- und Kruger-Kriterien) Eine endokrinologische Untersuchung ist in folgenden Fällen angezeigt: - abnormale Ergebnisse bei der Samen-Analyse, speziell bei einer Sperma-Konzentration unter 10 Mio./ml - eingeschränkte sexuelle Funktionen - andere klinische Verdachtsmomente für eine spezifische Endokrinopathie Zur minimalen endokrinologischen Evaluation zählen die Bestimmung von Testosteron und FSH im Serum; bei pathologischen Werten können weitere Parameter indiziert sein. Eine post-ejakulatorische Urinanalyse sollte erfolgen, wenn das Ejakulatvolumen weniger als 1 ml beträgt (außer bei Patienten mit bliateraler vasaler Agenesie oder möglichem Hypogonadismus). Ein niedrig-volumiges oder fehlendes Ejakulat kann auf eine retrograde Ejakulation, fehlende Emmission, Obstruktion des Ejakulationstrakts, Hypogonadismus oder kongenitale bilaterale Agenesie der Vasa deferentia hinweisen. Zum Nachweis einer Obstruktion des Ejakulationstrakts bei Männern mit Azoospermie, palpablen Vasae und niedrigem Ejakulatvolumen bietet sich die transrektale Sonographie an. Die skrotale Sonographie ist indiziert, wenn die physische Untersuchung des Skrotums schwierig ist oder wenn ein testikulärer Tumor vermutet wird. Azoospermie und schwere Oligospermie können auf genetische Anomalien hindeuten. Diese können in drei Gruppen eingeteilt werden: - Muationen des Gens für zystische Fibrose (CF), die mit angeborenem Fehlen der Vasa deferentia verbunden sind - Chromosomen-Anomalien, die die testikuläre Funktion beeinträchtigen - Mikrodeletionen des Y-Chromosoms, die isoliert die Spermatogenese treffen Chromosomenanalysen sollten Männern mit mit nicht-obstruktiver Azoospermie angeboten werden, bevor eine ICSI ins Auge gefasst wird. (UB)

Quelle: Jarow JP: Best practice policies for male infertility, Zeitschrift: JOURNAL OF UROLOGY, Ausgabe 167 (2002), Seiten: 2138-2144

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