Blutgefässe Mensch

Heparinresistenz

Praxis-Depesche 4/2022

Anti-Faktor Xa oder aPTT?

Unfraktioniertes Heparin gilt als Mittel der Wahl für die Antikoagulation – gerade bei schwerstkranken Patientinnen und Patienten, z. B. mit COVID-19. Zwei Autoren aus Boston, Massachusetts, geben Tipps zum Vorgehen.
Im Detail
Personen mit COVID-19 haben häufig einen erhöhten Bedarf an unfraktioniertem Heparin. Bei Verdacht auf Heparinresistenz sollte Anti-Faktor Xa bestimmt werden. Bei erniedrigtem Wert sollte die Heparindosis gesteigert werden, bis der Standard- Zielbereich von 0,3 – 0,7 IU/ml erreicht ist.
Für das Monitoring der Heparintherapie kommen gerinnungsbasierte und chromogene Assays zum Einsatz. Zu Ersteren zählen die Bestimmung der aPPT (activated partial-thromboplastin time) im Blutplasma und der aktivierten Gerinnungszeit im Vollblut, bei denen die Geschwindigkeit der Gerinnselbildung in vitro gemessen wird. Nachteilig sind dabei die Abhängigkeit von laborspezifischen Agenzien und der Höhe der Faktor-VIII- und Fibrinogen- Spiegel, sowie die Tatsache, dass die aPTT bei hohen Heparingaben ein Plateau erreicht.
Chromogene Assays geben dagegen nur die Wirkung des Plasma-Heparin-Levels wieder. Der immer häufiger eingesetzte Anti-Faktor-Xa-Assay ist auch bei hohen Heparindosen (1 bis 5 IU/ml) noch sensitiv und eignet sich besonders bei Personen mit angeborenem oder erworbenem Faktormangel, Antiphospholipid-AK sowie disseminierter intravasaler Gerinnung (DIG).
 
Wie kommt es zur Heparinresistenz?
Ab wann eine Heparinresistenz vorliegt, ist nicht klar definiert. Als Richtwert gilt die Gabe von mehr als 35.000 IU Heparin pro Tag. Als Ursache für eine Resistenz kommen zahlreiche Faktoren in Frage. Zum einen bindet unfraktioniertes Heparin unspezifisch an die verschiedensten Proteine (z. B. Gerinnungsfaktoren, Chemokine, Zelladhäsionsproteine, Proteine der extrazellulären Matrix, Glykoproteine, Lipoproteine) aber auch an Monozyten, Endothelzellen und nicht endotheliale Oberflächen wie i.v.-Katheter. Eine häufige erworbene Ursache ist Antithrombin-Mangel, der nach Expertenkonsens ausgeglichen werden sollte. Zur Substitution bei angeborenem Antithrombin- Mangel liegen keine Daten vor. Eine Heparinresistenz kann aber auch vorgetäuscht werden, z. B. durch die Interaktion von Heparin und Thrombozyten. Hier sind die thrombozytenunabhängige Bestimmung von aPTT oder Anti-Faktor Xa im Plasma zuverlässiger als funktionelle Tests im Vollblut. Ebenfalls können erhöhte Level von Gerinnungsfaktoren (Faktor VIII, Fibrinogen) zu einer Verkürzung der aPTT führen und so eine Heparinresistenz vortäuschen – Anti-Faktor-Xa-Assays werden davon nicht beeinträchtigt.
 
Management bei COVID-19
Auch bei Personen mit COVID-19 fällt oft ein erhöhter Bedarf an unfraktioniertem Heparin auf. Bei Verdacht auf Heparinresistenz sollte hier v. a. Anti-Faktor Xa bestimmt werden, da er besonders bei schwerer inflammatorischer Reaktion, beginnender DIG, erhöhtem Faktor VIII und Fibrinogen sowie bei Vorliegen von Antiphospholipid- AK die Heparinaktivität genauer wiedergibt als die aPTT. Bei erniedrigtem Wert sollte die Heparindosis bis zum Erreichen des Zielbereichs von 0,3 bis 0,7 IU/ml erhöht werden. Erniedrigte Antithrombin-Spiegel wurden in Zusammenhang mit COVID-19 bisher nicht beobachtet. Die Anwendung direkter Thrombin-Inhibitoren wie Argatroban und Bivalirudin bei COVID-19 sollte aus Mangel an Alternativen weiterhin über die aPTT oder die aktivierte Gerinnungszeit gemonitort werden, auch wenn ein Einfluss erhöhter Fibrinogen-Spiegel auf die aPTT nicht ausgeschlossen werden kann. CA
Quelle: Levy JH, Connors JM: Heparin resistance – clinical ... N Engl J Med 2021, 385: 826-32
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