44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie

Praxis-Depesche 9/2003

COPD: nicht nur Lungenkrankheit

Die Lungenexperten engagierten sich auf der diesjährigen Tagung vehement für die Bekämpfung des Rauchens, der "Wurzel allen pneumologischen Übels". Im Management der COPD muss durch flächendeckende Spirometrie mehr für die Früherkennung getan werden. Die Therapie darf sich nicht nur auf die Lunge konzentrieren, sondern muss auch Folgen im Gesamtorganismus einschließen.

Vier der zehn häufigsten Krankheits-Todesursachen gehen von der Lunge aus. Zu den drei größten pneumologischen Killern werden sich in den nächsten Jahren neben der Pneumonie chronische obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und das Bronchialkarzinom entwickeln - beide maßgeblich verursacht durch inhalatives Rauchen. Als alarmierend bezeichnete Kongresspräsident Prof. Karl Häußinger, Gauting, die zunehmende Verbreitung des Rauchens bei Kindern und Jugendlichen. Heute rauchen 44% der 16- und 17-Jährigen und sogar 48% der 20- und 21-Jährigen. "Wer mit 15 Jahren anfängt zu rauchen und dann nicht mehr davon lassen kann, muss sich klar machen, dass er damit 23 Lebensjahre wegwirft", so Häußinger. Die DGP hat bereits eine Reihe von Aufklärungsaktionen an Schulen initiiert. Als weitere Ansätze bieten sich Erhöhung der Tabaksteuer, Verbot der Tabakwerbung, Maßnahmen gegen den Schwarzhandel, Automatenverbot und Raucherentwöhnungsprogramme an. So lange der Raucherzuwachs bei den Jugendlichen nicht gestoppt werden kann, müssen wir mit mehr und mehr COPD-Patienten rechnen. Jeder Raucher hat sich argumentativ mit Beispielen außerordentlicher Langlebigkeit von lebenslangen Kettenrauchern gewappnet, falls ihm die gesundheitlichen Konsequenzen seiner Sucht vorgehalten werden. Die Statistik spricht eine andere Sprache. Etwa 80% der Fälle von COPD sind durch Rauchen verursacht. Andrerseits entwickelt nur ein Drittel der Raucher eine obstruktive Lungenerkrankung. Eine chronische Bronchitis bekommen aber fast alle. Chronischer Husten muss als Signal ernst genommen werden. Für Prof. Helgo Magnussen, Großhansdorf, gibt es nur einen Weg, den Teil der Raucher frühzeitig zu erkennen, die sich in Richtung auf eine COPD hin bewegen: Arztpraxen müssen flächendeckend die Spirometrie anwenden, genauso selbstverständlich wie das EKG. Jeder chronische Huster, der raucht, sollte einmal jährlich spirometrisch untersucht werden. Auch ein Mensch, der rauchend 65 Jahre alt geworden ist, kann den weiteren Abfall seiner Lungenfunktion noch bremsen, wenn er mit dem Rauchen aufhört. Je früher er diesen Entschluss fasst, desto mehr ist erreichbar. Neben dem Rauchverzicht gehören zur Therapie der COPD Bronchodilatatoren, eventuell Steroide und eine Sauerstoff-Langzeittherapie, die stadien- und leitliniengerecht eingesetzt werden müssen. Ganz wichtig ist auch körperliches Training, um die Patienten aus dem Teufelskreis von Atemnot, verminderter Belastbarkeit, Antriebslosigkeit, meiden jeglicher Belastung, sozialer Isolation, Trainingsmangel und weiterer Verschlechterung der Symptome herauszuholen. Die Anforderungen an die Therapie der COPD gehen jedoch weit über die Lunge hinaus. Viel zu wenig wurde in den letzten Jahren das Problem der Mangelernährung oder Kachexie beachtet. Immerhin bei 40% der COPD-Patienten, die aus verschiedenen Gründen stationär aufgenommen wurden, war eine Mangelernährung nachweisbar, wie Dr. Joachim Bargon, Frankfurt/M., berichtete. Mehr als 70% der Patienten wiesen eine verminderte Muskelmasse auf. Dass viele COPD-Patienten unzureichend ernährt sind, kann durch mehrere Faktoren erklärt werden: Nachlassender Appetit, z. B. durch Medikamente wie Theophyllin oder Antibiotika, zunehmende Immobilität, die Einkaufen und Kochen erschwert, oder Depressionen. Dazu kommt, dass für Patienten mit Ruhedyspnoe auch die Nahrungsaufnahme schon so anstrengend ist, dass sie die Atemnot verstärkt. Gesunde benötigen für die Atmung nur etwa 2 bis 3% der Gesamtenergie, COPD-Patienten durch die verminderte Thoraxelastizität und Überblähung der Lunge wesentlich mehr. Zumindest bei Auftreten von Exazerbationen bildet sich auch ein Hypermetabolismus aus, der zu Gewichtsverlust führen kann. Noch unklar ist, ob inflammatorische Zytokine, die bei Hypoxie vermehrt ausgeschüttet werden, auch bei stabilen Patienten zu Gewichts- und Muskelverlust beitragen. Sicher ist, dass Medikamente wie Theophyllin und Beta-2-Mimetika den Grundumsatz steigern und Steroide in höheren Dosen die Kraft der Atemmuskulatur mindern. Durch alleinige Zufuhr von Kalorien können diese Probleme nicht beseitigt werden.Vielmehr ist eine Bewegungstherapie auch unter diesem Aspekt ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie. Eine gute Möglichkeit hierzu bieten die Lungensportgruppen, die nach dem Beispiel der Koronarsportgruppen mehr und mehr geschaffen werden. Informationen über diese Angebote sollten alle Praxen für ihre Patienten bereit halten.

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