SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft

Praxis-Depesche 11/2021

COVID-19-Impfung trotz Schwangerschaft empfohlen

Die Frage, ob eine Infektion mit dem neuen Coronavirus in der Schwangerschaft ein spezielles Risiko für das Kind darstellt, war lange Zeit umstritten. Daten aus England sprechen für eine Zunahme der Komplikationen.
Wenn Frauen an COVID-19 erkranken, ist das Risiko eines schweren Verlaufs und einer erhöhten Mortalität gesteigert, wenn sie schwanger sind. In der Gesamtbevölkerung gelten höheres Alter, Adipositas, Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, niedriger sozioökonomischer Status und Begleitkrankheiten wie Diabetes oder Hypertonie als Faktoren, die eine schwere Manifestation begünstigen. Das trifft im Prinzip auch für Schwangere zu. Neuere Studien deuten an, dass bei COVID-19 in der Schwangerschaft auch mit Beeinträchtigung des Fetus bzw. Neonaten zu rechnen ist.
Nun wurden die elektronischen Krankenakten von Schwangeren aus England für eine Kohortenstudie herangezogen, die den Zweck hatte, das Outcome von Mutter und Kind zu erfassen, wenn bei der Geburt eines Einlings eine SARS-CoV- 2-Infektion der Frau labordiagnostisch erfasst worden war. Daten zum klinischen Verlauf der Infektion standen nicht zur Verfügung. Für den Zeitraum Ende Mai 2020 bis Ende Januar 2021 kamen 342.080 Frauen zusammen, von denen nach Tests bei der Entbindung 3.527 eine Coronavirus-Infektion gehabt hatten. In England werden alle Gebärenden auf die Infektion getestet.
 
Auswirkungen der Infektion
Positive Tests waren häufiger bei jüngeren Frauen, bei nicht weißen Minoritäten, bei Primiparen und bei Frauen in wirtschaftlich schlechter Situation. Tod des Fetus war bei Virusnachweis signifikant häufiger (adjustierte Odds Ratio [OR] 2,21). Vermehrt traten auch Frühgeburten auf (OR 2,17), die Mütter entwickelten öfter eine Präeklampsie (OR 1,55), mussten häufiger per Notfall-Sectio entbunden werden (OR 1,63) und es kam auch häufiger zu einem verlängerten stationären Aufenthalt nach der Entbindung. Andere Komplikationen im Falle einer Infektion der Mutter (Notwendigkeit einer Wehen-Induktion, instrumentelle vaginale Entbindung, SGA [small for gestational age]) unterschieden sich nicht signifikant von denen mit negativem Test. Ein ungünstiges Outcome des Neonaten war bei Infektion der Mutter signifikant häufiger (OR 1,45). Das galt auch für die Notwendigkeit einer postnatalen Spezialbetreuung (OR 1,25) und für längeren stationären Aufenthalt (OR 1,61). Wenn man nur die Daten für Entbindungen zum Termin (37 Wochen oder mehr) berücksichtigte, war eine mütterliche Infektion nur noch mit einem längeren Klinikaufenthalt signifikant korreliert.
 
Kaum relevanter Bias
Die vorliegende Kohortenstudie könnte durch einen potenziellen Bias beeinträchtigt worden sein. Ein solcher könnte auf Selective Testing, auf Selective Recording oder auf unerkannte Fälle von SARS-CoV-2-Infektion zurückgehen. Die Autoren der Studie halten solche Fehler aber für unwahrscheinlich, weil Tests auf das Virus obligat waren (und die Kliniken diese Vorgabe strikt einhielten) und weil die Infektionsrate (1,74 %) im Bereich derjenigen für eine vergleichbare Gruppe der Allgemeinbevölkerung lag.
Für eine Vakzination Gravider sprechen immer mehr Daten. Das Nutzen-Risiko- Verhältnis scheint positiv zu sein. Zum Zeitpunkt der Studie wurde die Impfung in den USA und in Israel Schwangeren mit erhöhtem Risiko für die Infektion angeboten. Die Autoren halten es für ratsam, die Indikation auch auf andere gravide Frauen auszudehnen. WE
Quelle: Gurol-Urganci I et al.: Maternal and perinatal outcomes of pregnant women with SARS-CoV-2 infection at the time of birth in England: national cohort study. Am J Obstet Gynecol 2021; S0002-9378(21)00565-2. doi: 10.1016/j. ajog.2021.05.016

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