Deutscher Rheumatologiekongress 2022

Praxis-Depesche

Darmflora, Impfregime und Wechselwirkungen

Im Rahmen des Deutschen Rheumatologiekongresses 2022 standen neben neuen Erkenntnissen rund um die Therapie rheumatischer Erkrankungen auch viele wichtige Versorgungsaspekte im Fokus, die über den Tellerrand der pathologischen Gelenkprozesse hinausblicken ließen. Unter anderem wurden praxisrelevante Themen wie Impfungen und die Bedeutung des Darmmikrobioms für den Erkrankungsverlauf diskutiert.
Die Bedeutung des Darmmikrobioms als Dreh- und Angelpunkt der Gesundheit ist zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt, so auch in der Rheumatologie. Prof. Martin Kriegel, Münster, stellte hierzu aktuelle Studien vor, die verdeutlichen, wie der Einfluss von Antibiotika auf die Zusammensetzung der Darmflora und auf diese Weise auch auf rheumatische Erkrankungen einwirkt.
 
Antibiotika bessern über die Darmflora den Rheumaverlauf
In Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass bestimmte Antibiotika wie z. B. Vancomycin die Entstehung und den Verlauf von u. a. rheumatoider Arthritis (RA), systemischem Lupus erythematodes (SLE) sowie Spondyloarthritiden günstig beeinflussen können. Vermittelt wird der Effekt vermutlich über die mit der Mikrobiota-Zusammensetzung assoziierte Veränderung der Darmpermeabilität, die zunehmend als wichtiger Faktor bei rheumatischen Erkrankungen diskutiert wird.
Fallberichte lassen vermuten, dass der Zusammenhang zwischen Antibiotika und Darmflora auch beim Menschen Bestand hat. Beispielsweise setzte man Antibiotika bei Patient:innen mit RA ein, um den oralen Pathobionten Aggregatibacter actinomycetemcomitans, der die Entstehung der RA-relevanten anti-citrullinierten Protein- Antikörper (ACPA) fördert, zu eradizieren. Die Antibiose führte zu einer Reduktion der ACPA-Remission der RA.
 
Vorsicht vor Impfungen und bei Biologika-Therapie
Andererseits gilt es zu beachten, dass Antibiotika die Effektivität von Impfungen, die für Rheuma-Patient:innen besonders wichtig sind, nachweislich reduzieren können, so Kriegel weiter. So haben Studien gezeigt, dass Patient:innen nach einer antibiotischen Therapie weniger gut auf eine Grippeimpfung ansprechen. Zwar fehlt es noch an Daten, um eine klare Empfehlung für eine Wartezeit zwischen Antibiotikagabe und Impfung aussprechen zu können, aus Sicht von Kriegel ist eine solche Empfehlung aber vermutlich sinnvoll. Daten aus der Krebstherapie mit Checkpoint-Inhibitoren lassen außerdem vermuten, dass Antibiotika wahrscheinlich auch die Wirksamkeit von Biologika bei Rheuma- Patient:innen einschränken könnten.
 
Praxisrelevante Wechselwirkungen mit Methotrexat
Bei der Behandlung rheumatischer Patient: innen gibt es eine ganze Reihe an möglichen Arzneimittelinteraktionen, von denen allerdings nur ein Bruchteil tatsächlich praktische Relevanz hat. Einen Kurzüberblick über die wichtigsten Beispiele gab Prof. Klaus Krüger, München. In Bezug auf Methotrexat (Mtx) verwies er darauf, dass viele Patient:innen in der Apotheke vor einer gleichzeitigen Gabe von Mtx und Acetylsalicylsäure (ASS) gewarnt werden. Gefährlich sei dies aber nur bei hoher Mtx- Dosis und einer ASS-Dosis > 1.000 mg. Bei Kombination gängiger in der Rheumatologie eingesetzten Mtx-Dosen mit niedrig dosiertem ASS bestehe dagegen kein Risiko. Die Kontraindikation einer Gabe von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) am Tag der Mtx-Einnahme ist nach neuen Daten ebenfalls nicht mehr relevant, so Krüger w eiter. Z u b eachten s ind a ber R isiken bei der Komedikation von Mtx mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Metamizol und hochdosierten Protonenpumpen- Inhibitoren (PPI).
 
Außerdem wichtige Arzneimittelinteraktionen
Eine besonders hohe Gefahr besteht, wenn Allopurinol oder Febuxostat gleichzeitig mit Azathioprin gegeben wird, da das Toxizitätsrisiko dadurch erheblich steigt. Da es bei Ciclosporin A und Mycophenolat-Mofetil eine ganze Reihe an relevanten Wechselwirkungen zu beachten gibt, sind diese bei Patient:innen mit Multimedikation stets individuell zu überprüfen. Bei JAK-Inhibitoren, Tofacitinib und Upadacitinib ist die hepatische Metabolisierung zu berücksichtigen, wohingegen bei Biologika im Allgemeinen keine relevanten Interaktionen zu beachten sind. Bei NSAR wie Ibuprofen, Indometacin und Diclofenac besteht ein gesteigertes Ulkusrisiko bei Komedikation mit Kortikoiden sowie ein erhöhtes Blutungsrisiko bei Komedikation mit Antikogulanzien und eine erhöhte Gefahr der Nephrotoxizität bei Kombination mit nephrotoxischen Substanzen wie Cyclosporin A. Wichtig ist auch, dass die Wirkung von niedrig dosiertem ASS durch Ibuprofen, Naproxen und Indometacin herabgesetzt wird. Als Alternativen empfahl Krüger die Kombi von niedrig dosiertem ASS mit Coxiben oder Diclofenac mit Magenschutz.

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