Karotisstenose – Endarteriektomie oder Stent?

Praxis-Depesche 4/2010

Die chirurgische Therapie bringt (noch) bessere Ergebnisse

Es hat lange gedauert, bis die perkutane Revaskularisation mit Stenting, die inzwischen zu den Standard-Optionen bei koronarer Herzkrankheit zählt, auch „reif“ für die Behandlung von Karotisstenosen wurde. Inzwischen konkurriert sie aber dem konventionellen chirurgischen Vorgehen (Endarteriektomie). Mit Hilfe einer Metaanalyse wurde untersucht, welches der beiden Verfahren besser abschneidet.

Karotisstenosen sind für etwa 20% der Schlaganfälle Erwachsener verantwortlich. Mit geeigneten Behandlungsmethoden versucht man, das Risiko für Apoplexie bzw. den dadurch bedingten Tod zu verringern. Die Endarteriektomie hat sich bei symptomatischen wie bei asymptomatischen Patienten hinsichtlich der präventiven Wirkung als der medikamentösen Behandlung überlegen erwiesen. Zunehmend rückt aber die Katheterdilatation bzw. das Stenting als die weniger invasive Alternative in den Blickpunkt.

Erste Studien mit dem perkutanen Vorgehen haben gezeigt, dass es praktikabel, wirksam und ohne allzu große Risiken ist. Randomisiert-kontrollierte Studien (RCT), die es mit der Endarteriektomie verglichen, kamen aber zu uneinheitlichen Ergebnissen. In einer neueren Metaanalyse von RCTs und in zwei weiteren Studien war aber das Risiko für Apoplexie oder Tod innerhalb von 30 Tagen damit höher als mit chirurgischer Therapie.

Um das Bild klarer zu machen, wurde erneut eine Metaanalyse aufgelegt, mit der bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten mit Karotisstenose die Häufigkeit von Apoplexie oder Tod mit beiden Methoden sowohl kurzfristig (perioperativ) als auch mittelfristig ermittelt wurde. Elf Studien mit insgesamt 4796 Patienten konnten ausgewertet werden. Zehn machten Angaben zu den kurzfristigen Ergebnissen, neun (auch) zu den mittelfristigen Resultaten (Zeitraum ein bis vier Jahre).

Konventionelles Vorgehen vorn

Beim kurzfristigen Verlauf war die Endarteriektomie hinsichtlich des Risikos für Apoplexie oder Tod signifikant vorteilhafter (Odds Ratio 0,65). Das basierte hauptsächlich auf weniger Hirnschlägen; beim Sterberisiko oder beim kombinierten Kriterium aus Mortalität und invalidisierender Apoplexie bestand kein signifikanter Unterschied. Das Risiko für periinterventionellen Herzinfarkt oder Nervenschäden war bei OP allerdings höher als bei Stenting.

Da diese Eingriffe rein prognostischen Charakter haben, also ein bisher noch nicht eingetretenes Ereignis verhindern sollen, fallen die „periprozeduralen“ Komplikationen besonders ins Gewicht – dies insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass in den analysierten Studien keine Vergleiche zu optimaler medikamentöser Therapie allein angestellt wurden. Man muss bedenken, dass in früheren Studien Endarteriektomie versus Medikamente die antiatherosklerotischen Medikationen längst nicht so rigoros waren, wie das heute üblich ist.

Als einen akzeptablen Maximalwert für das perioperative Risiko von Apoplexie oder Tod hatte man bei asymptomatischen Patienten 3% und bei symptomatischen 6% postuliert. In dieser Metaanalyse mit überwiegend symptomatischen Patienten betrug es 5,4% für die Endarteriektomie und 7,3% für das Stenting. Ob dieser Unterschied im Einzelfall den Ausschlag für die Wahl der Methode geben soll, ist schwierig zu entscheiden. Man muss auch das individuelle Apoplexie-Risiko und die Lebenserwartung des Patienten in die Überlegungen einbeziehen.

Die Metaanalyse konnte auch keine zeitlichen Trends in der Performance des Stentings erfassen. Neuere Daten sprechen dafür, dass inzwischen die Methode weiter perfektioniert wurde („Lernkurve“).

Die Autoren plädieren dafür, derzeit die End­arteriektomie als Methode der ersten Wahl anzusehen und das Stenting für Patienten mit hohem OP-Risiko zu reservieren. Die nächsten Studien zu diesem Thema könnten das Blatt aber schon wenden. WE

Kommentar
?! 50 Jahre Erfahrung mit der Endarteriektomie können die Stent-Leute nicht so schnell aufholen. Der Mann mit dem Katheter braucht 150 solche Eingriffe, bis er genug Sicherheit erworben hat. In den Studien war die Expertise der Ärzte sehr unterschiedlich. Verbesserungen wie Spezialkatheter mit einem Schirmchen, die Embolisierungen verhindern sollen, haben ihren Nutzen auch noch nicht evidenzbasiert unter Beweis gestellt. Wenn man zum Stent greift, dann sollte man es eher bei asymptomatischen Stenosen tun. Norris JW et al.: Carotid artery stenosis. Ebd. 431-432
Quelle: Halliday, A: Carotid artery stenosis, Zeitschrift: BRITISH MEDICAL JOURNAL, Ausgabe x (2010), Seiten: 340:c748: , Zeitschrift: , Ausgabe ()
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