Kasuistik

Praxis-Depesche 5/2021

Dunkler Urin und Erschöpfung

Die Autoren beschreiben den Fall einer 72-jährigen Frau, die sich mit dunklem Urin vorstellt und bei körperlicher Aktivität schnell erschöpft ist. 25 Jahre zuvor hatte sie eine künstliche Aorten- und Mitralklappe erhalten.
Bei einer 72-jährigen Frau trat nach einer Reise durch Europa rostroter Urin und Erschöpfung bei körperlicher Aktivität auf. Sie zeigte keine weiteren Anzeichen einer Blutung, hatte ihre Warfarin-Dosis herabgesetzt und eine Dosis Ciprofloxacin eingenommen. Eine Woche später erfolgte ein Urintest auf die Blutparameter. 14 Tage später nahm die Erschöpfung zu, Dyspnoe trat auf, sie war blass, eine Untersuchung ergab ein systolisches Herzgeräusch, Antiglobulin war negativ, Haptoglobin nicht detektierbar, Folat- und Vitamin B12-Spiegel normal. Einen Tag später stellt sie sich in der Notaufnahme vor. Die Krankengeschichte ergab u. a., dass 20 Jahre nach einem rheumatischen Fieber eine Aorten- und Mitralklappenstenose mit Komplikationen auftrat, die durch Klappenersatz therapiert wurde. Sie nahm Atorvastatin und Warfarin, ihr INR betrug in der Vergangenheit 2,0 bis 2,5. Transösophageale Echokardiographie zeigte zwei Areale paravalvulären Rückflusses. Starke Verkalkung des Mitral- Subvalvular Apparatus war erkennbar. Hinzu kam ein kleines, an die mechanische Aortenklappe angrenzendes Leck. Differenzialdiagnostisch war die Anämie auffällig, der Hämoglobinspiegel lag bei Einweisung bei 8,4 g/dL, 15 Tage zuvor noch bei 12,5g/dL. Es gab keine Hinweise auf Blutungen und der INR war subtherapeutisch bei Aufnahme. Die Urinanalyse ergab 5-10 rote Zellen im Hauptgesichtsfeld. Diese Befunde sprachen eher für Hämoglobinurie oder Myoglobinurie als Hämaturie. Das undetektierbare Haptoglobin, erhöhte Lactatadehydrogenase, Retikulocytose und unkonjugierte Bilirubinämie sprachen am stärksten für hämolytische Anämie. Da die Patientin mehrere paravalvuläre Lecks an Mitral- und Aortenklappe zeigte und weil die hämolytische Anämie die Beseitigung aller dieser Lecks erfordert, wurden die Undichtigkeiten chirurgisch beseitigt. Histologisch zeigte sich fibröses Gewebe mit fokalen Verkalkungen und Riesenzell-Reaktion auf Fremdmaterial. Die Farbe des Urins und die Hämoglobinspiegel normalisierten sich daraufhin. MR
Quelle: Malhotra R et al.: Case 36-2020: A 72-year-old woman with dark urine and weakness. N Engl J Med 2020; 383(21): 2066-76
ICD-Codes: D58.9

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