Zuvor waren die Symptome nicht aufgetreten. Die Frau litt weder an Brustschmerzen, Orthopnoe oder Beinödemen noch an Sodbrennen oder Rhinorrhö. Sie gab allerdings an, seit Beginn der Beschwerden etwas mehr als 2 kg an Gewicht zugenommen zu haben (BMI 34,9 kg/m2).
Seit ihrem 16. Lebensjahr hatte die Patientin eine Schachtel Zigaretten am Tag geraucht (insgesamt 42 Packungsjahre), bis sie vor sechs Monaten auf E-Zigaretten umgestiegen war. Die Anamnese ergab aber, dass ihr Lebenspartner im gemeinsamen Haus Zigaretten rauchte und sie seit mehreren Jahren mit drei Hunden und drei Katzen zusammenwohnte. An Asthma oder Allergien hatte sie bisher nicht gelitten und auch anderweitige signifikante Schadstoffbelastungen konnten ausgeschlossen werden.
Diagnostik und Therapie: In der Primärversorgung wurden bei der Patientin ein Asthma und eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) diagnostiziert. Daraufhin wurde eine Therapie mit 1 x tgl. Tiotropium 18 μg, zwei Sprühstößen Beclomethason 80 μg und bedarfsweise Albuterol eingeleitet. Ein niedrig dosiertes Thorax-CT, das die Patientin im Rahmen eines Lungenkrebs-Vorsorgeprogramms durchlief, offenbarte leichte emphysemische Veränderungen ohne Lungennoduli. Zudem wurde in der Lungenklinik ein Lungenfunktionstest durchgeführt, woraufhin man bei der Patientin die Asthma-Diagnose bestätigte. Als wahrscheinlichen Auslöser identifizierte man das Rauchen der E-Zigaretten (sog. "Vaping").
Entsprechend wurde auch das Therapieregime angepasst. Die Patientin erhielt nun sowohl hoch dosierte inhalative Kortikosteroide (ICS) als auch lang wirkende und kurz wirkende Beta-Agonisten (LABA bzw. SABA) und lang wirkende muskarinische Antagonisten (LAMA). Man riet ihr dazu, den Gebrauch der E-Zigaretten einzustellen und ordnete einen Umstieg auf Nikotinpflaster an.
Bei der Nachuntersuchung einen Monat später gab die Patientin an, das Vaping eingestellt zu haben, nachdem die Asthmasymptome trotz der optimierten Therapie angehalten hatten. Erst nach Absetzen der E-Zigaretten waren die Symptome vollständig zurückgegangen.
Allerdings war sie bezüglich regulärer Zigaretten rückfällig geworden. Nikotinpflaster lehnte sie ab. Fünf Monate später hatte die Patientin erneut angefangen, E-Zigaretten zu rauchen, woraufhin die Asthmasymptome wiederkehrten und sich weiter verschlimmerten. Die ICS-Dosis wurde erhöht und zur Überbrückung wurden orale Kortikosteroide (OCS) gegeben.
Im Verlauf der folgenden zwei Jahre wurden zur Asthmakontrolle noch Montelukast und Fluticason als Nasenspray sowie mehrmals OCS eingesetzt. Als die Patientin erneut von den E-Zigaretten zurück auf konventionelle Zigaretten wechselte, blieben die Asthma-Symptome diesmal bestehen. Jegliche weitere Rauchstoppversuche blieben erfolglos.
Diagnose: Spätes Asthma, induziert durch E-Zigaretten
Tab. 1: Lungenfunktionstest;
FEV1 = Forcierte Einsekundenkapazität,
FVC = Forcierte Vitalkapazität,
TLC = Totale Lungenkapazität,
RV = Residualvolumen,
ERV = Exspiratorisches Reservevolumen.
Mod. nach Roberts J et al., Cureus 2022