Vorhofflimmern

Praxis-Depesche 12/2016

Ein hohes Ziel: „rhythm control"

Vorhofflimmern geht bei vielen Patienten mit erheblichen Beschwerden einher und birgt das Risiko von Apoplexie und anderen kardiovaskulären Komplikationen. Die dauerhafte Wiederherstellung des Sinus rhythmus hat das Potenzial, diese Probleme zu reduzieren.

Seit Jahren wogt die Diskussion, ob bei Vorhofflimmern (VHF) eine symptomatische Therapie in Form einer Begrenzung der Ventrikelfrequenz (Frequenzkontrolle, „rate control“) oder aber ein eher kausales Vorgehen mit dauerhafter Wiederherstellung von Sinusrhythmus (Rhythmuskontrolle, „rhythm control“) mehr Nutzen für den Patienten bringt. Eine Arbeitsgruppe aus Frankreich und den USA trug die Argumente zusammen, die für die zweite Option sprechen.
Das Ausmaß der Beschwerden ist ein maßgebliches Kriterium für die Wahl von „rhythm control“. Ein anderes ist das Alter des Patienten: VHF über Jahrzehnte kann die kardiovaskuläre Prognose jüngerer Patienten trüben, auch wenn sie keine Beschwerden seitens des VHF haben.
Wenn sich ein Patient mit VHF vorstellt, richtet sich das Augenmerk vor allem auf die Hämodynamik und den Schutz vor Thromboembolien. Bei ausgeprägten Beschwerden ist die Kardioversion indiziert, bei Kreislaufinstabilität dringend. Bei hoher Ventrikelfrequenz ist akute „rate control“ wichtig.
 
Antikoagulation lebenslang
 
Vor elektrischer oder pharmakologischer Kardioversion ist bei VHF von mehr als 48 Stunden Dauer orale Antikoagulation indiziert. Die Gabe eines Vitamin-K-Antagonisten oder eines direkten oralen Antikoagulans sollte nach der Kardioversion für mindestens vier Wochen fortgesetzt werden. Nach Leitlinien-Empfehlung sollte die Antikoagulation lebenslang erfolgen, wenn der Patient einen Risikofaktor für Apoplexie trägt, unabhängig vom Rhythmus-Status.
Die Gleichstrom-Kardioversion ist eine sehr effektive Methode zur Beendigung von VHF und Wiederherstellung von Sinusrhythmus. Eine Vorbehandlung mit Antiarrhythmika wie Flecainid, Propafenon, Sotalol oder Amiodaron erhöht die Erfolgsrate. Biphasische externe Defibrillatoren (statt monophasischer) ermöglichen den Einsatz von weniger Energie. Wenn das VHF auf die ersten Schocks nicht anspricht, sollte man die Kardioversion mit veränderter Elektrodenlage wiederholen.
Das Apoplexierisiko ist am höchsten in den ers ten 72 Stunden nach der Kardioversion; die meisten Hirnschläge ereignen sich innerhalb von zehn Tagen. Bei Patienten mit Sinusknoten-Dysfunktion kann es zu transitorischem Sinusstillstand kommen. Kardioversionsbedingte Arrhythmien wie ventrikuläre Tachykardien oder Kammerflimmern sind sehr selten; Risiken dafür sind Hypokaliämie, Hypomagnesiämie oder Digoxin- Überdosierung.
 
Pharmakologische Kardioversion: keine Sedierung, weniger Erfolg
 
Ohne Sedierung kommt man bei pharmakologischer Kardioversion mit Bolusgabe eines Anti arrhythmikums aus. Sie ist allerdings auch weniger effektiv als die elektrische. Am meisten richtet sie bei VHF unter 48 Stunden aus. Man kann mit einer Konversionsrate von 50% oder mehr innerhalb von 15 bis 120 Minuten rechnen. Die Patienten müssen danach für einige Zeit überwacht werden, da proarrhythmische Effekte der Antiarrhythmika vorkommen.
Als geeignete Mittel für die Kardioversion nennen die Autoren Flecainid und Propafenon. Diese Klasse-Ic-Antiarrhythmika sind bei reduzierter Ventrikelfunktion oder Ischämie nicht indiziert. Ibutilid wird seltener eingesetzt. Es verlängert die QT-Strecke (Arrhythmie-Risiko). Ähnliche Bedenken gelten für Vernakalant. Amiodaron wird in dieser Indikation nur noch selten verwendet.
Nach Restitution des Sinusrhythmus gilt es, diesen langfristig zu stabilisieren. Liegt keine strukturelle Herzerkrankung vor, werden dazu gerne Flecainid oder Propafenon eingesetzt. Bei Klasse-III-Antiarrhythmika muss man auf die QT-Strecke achten. Dronedaron ist das jüngste Mittel aus dieser Kategorie. Es sollte bei Herzinsuffizienz vermieden werden. Für Patienten mit strukturellem Herzschaden steht in den meisten Ländern der Welt zur Stabilisierung des Sinusrhythmus nur Amiodaron zur Verfügung.
Die invasive Wiederherstellung von Sinusrhythmus hat nach vielfachen Modifikationen der Vorhof-Ablation (derzeit meist in Form einer Pulmonalvenen-Isolation) einen hohen Stellenwert erlangt. Meist wird die Methode erst nach Versagen medikamentöser Optionen eingesetzt. Auf Seite 34 dieser Ausgabe widmet sich ein Folgeartikel der Frequenzkontrolle. WE
Quelle:

Piccini JP et al.: Atrial fibrillation 3 – rhythm control in atrial fibrillation. Lancet 2016; 388: 829-40

ICD-Codes: I48

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